Lebensmittel-Boykott Putin verhängt Gegensanktionen

MOSKAU · Reiche Russen kaufen gerne Westprodukte. Damit will der Kreml Schluss machen - Revanche für die Sanktionen.

Gedroht hat Kremlchef Wladimir Putin dem Westen angesichts der immer schärferen Sanktionen gegen Russland wiederholt. Wie ein "Bumerang" werde das zurückschlagen. Jetzt gibt es den ersten Ukas: einen Boykott von Lebensmitteln aus dem Westen. Vor allem EU-Lebensmittel dürften betroffen sein - Obst, Gemüse und Fleisch. Es gehe, so Putin, um alle Staaten, die im Ukraine-Konflikt unlängst Sanktionen gegen Russland erlassen haben.

Russland sieht sich seit Monaten bestraft dafür, dass es die prorussischen Separatisten im Kampf gegen das ukrainische Militär unterstützt. Nun schlägt das "Imperium" zurück. Die Russen und allen voran Putin ärgern sich maßlos, dass die EU und die USA "blind" die Führung in Kiew unterstütze, die Krieg gegen das eigene Volk führe. So zumindest ist die Sichtweise des Kreml. Zuerst bekamen die Polen den Zorn zu spüren: Äpfel, Birnen, Pflaumen aus dem EU-Land - alles verboten. Dass die Polen aus Trotz zum massenhaften Apfelessen aufgerufen haben, dürfte Moskaus Behörden gereizt haben, jetzt alle EU-Länder dazu zu bringen, ihre Waren selbst zu konsumieren.

Wie sich Putins Giftliste auswirkt, bleibt abzuwarten. Dass das Land aber wie zu Sowjetzeiten hungern muss, steht kaum zu befürchten. Immer wieder gab es zwar Vorwürfe, Russland sei trotz seiner riesigen Flächen nicht in der Lage, sich selbst zu ernähren. Doch ist das Land längst zum Getreideexporteur aufgestiegen. Viele Lebensmittelkonzerne wie zum Beispiel Nestlé haben eigene Anlagen in Russland.

Verzichten werden müssen aber vor allem die wohlhabenden Russen auf die von ihnen bevorzugten Westwaren. Deutsche Schokolade, tschechisches Bier, französischer Käse oder finnische Milch - vieles davon könnte auf den Index geraten. Und obwohl russische Waren meist deutlich billiger sind, greifen viele wohlhabende Kunden zu den Lebensmitteln aus Europa.

Sie trauen der Qualität einheimischer Produkte oft nicht über den Weg. Es gibt etwa die Supermarktkette Asbuka Wkusa. Die führt fast ausschließlich westliche Waren oft zu Preisen, die um bis das Fünffache über denen etwa in deutschen Ketten liegen. "Viele Russen stillen immer noch mit Westwaren ihren Hunger auf Konsum, denn in Sowjetzeiten war das schlicht nicht möglich", sagt die Wissenschaftlerin Jewgenija Scherbakowa der Zeitung "Iswestija". Ein Beispiel: Schweizer Rahmkäse für 10 Euro pro 100 Gramm.

Die Mehrheit der russischen Bevölkerung kann sich das aber ohnehin kaum leisten. Traditionsmahlzeiten wie etwa Haferflockenbrei zum Frühstück, Kartoffeln oder Reis sowie Fisch oder Fleisch zum Mittag, und zum Abendbrot vielleicht ein geschichteter Mimosa-Salat mit Lachs und Ei und Brot dürften kaum betroffen sein von Putins Einfuhrstopp. Ganz zu schweigen von Wodka und Kaviar und dem zumindest in Großstädten riesigen Angebot an Meeresfrüchten auf den Märkten.

In der Provinz sind Westprodukte ohnehin kaum zu finden. Und viele Russen haben aus Sowjetzeiten weiter die Angewohnheit, selbst Obst und Gemüse im Garten anzubauen - und in Konserven als Vorrat für den Winter einzuwecken. Jetzt im Sommer kommen viele Früchte aus Ex-Sowjetrepubliken wie Armenien oder Usbekistan in Zentralasien. Der Orient - auch das Nato-Land Türkei - ist Russland weiter gewogen.

Putin hatte bei seiner Drohung den Menschen im eigenen Land versprochen, dass seine Reaktion auf die Sanktionen nicht zum Schaden der Verbraucher sein werde. Zumindest nach dem polnischen Apfelverbot rechnete aber die Zeitung "Moskowski Komsomolez" vor, dass die Preise für Äpfel um 40 Prozent steigen dürften. Nicht gleich, aber dann, wenn die Lager leer seien. Putin verfügte nun aber per Ukas, dass es keinen Preiswucher geben dürfe.

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