Prozess um Kindesmissbrauch trotz Fußfessel

München · Trotz Überwachung mit einer elektronischen Fußfessel soll ein aus der Sicherungsverwahrung entlassener Sexualstraftäter erneut ein Kind missbraucht haben.

 Präsentation einer elektronischen Fußfessel. Foto: Fredrik von Erichsen/Illustration

Präsentation einer elektronischen Fußfessel. Foto: Fredrik von Erichsen/Illustration

Foto: DPA

Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht in München verweigerte der 41-Jährige zunächst die Aussage. Der Angeklagte war aus der Sicherungsverwahrung freigekommen und trug anschließend eine elektronischen Fußfessel - damit sollten weitere Verbrechen verhindert werden. Dennoch soll sich der Mann im April 2012 an einem damals sieben Jahre alten Mädchen vergangen haben.

Bereits 1999 war der Mann wegen Kindesmissbrauchs in 23 Fällen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Opfer war seine Stieftochter. Nachdem er die Gefängnisstrafe verbüßt hatte, kam er in nachträgliche Sicherungsverwahrung. Er wurde aber 2011 nach den neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entlassen.

Der Verteidiger des Mannes sagte am Mittwoch, sein Mandant wolle vorläufig nicht aussagen, weil er dem zuständigen psychiatrischen Gutachter misstraue. Der Experte hatte im Jahr 2006 die nachträgliche Sicherungsverwahrung für den Mann befürwortet. Die Verteidigung forderte darum zumindest einen weiteren Sachverständigen. Dann werde sich der Angeklagte auch zu den Vorwürfen äußern.

Die Kammer entschied, einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen. Er soll den Angeklagten Ende Januar untersuchen und Fragen zu Schuldfähigkeit, Sicherungsverwahrung und einer möglichen Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung beantworten. Am 1. Februar soll der Angeklagte sich vor Gericht zu den Vorwürfen äußern.

[kein Linktext vorhanden]Schon an diesem Freitag will das Gericht in die Beweisaufnahme einsteigen. Als erster Zeuge ist der Vater des mutmaßlichen Opfers geladen, der in dem Verfahren als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter als Nebenkläger auftritt.

Der Fall hat eine Diskussion über Sinn und Nutzen der elektronischen Fußfessel ausgelöst. Die Strafrechts-Psychologin Gunda Wößner sprach im ZDF-Interview auf heute.de von einem suggerierten Sicherheitsgefühl. "Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die GPS-Datenübermittlung in Echtzeit sehr fehleranfällig ist", sagte die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Vor allem bei Sexualstraftätern sei die Überwachung problematisch.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) bezeichnete die Fessel als Notlösung: "Die elektronische Aufenthaltsüberwachung ist ein Notbehelf für die Fälle, in denen uns die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts zwingt, auch gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter nach Verbüßung ihrer Strafe zu entlassen."

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