Whistleblower Politischer Betrieb in Washington ist elektrisiert

Washington · In den USA kursiert der Verdacht, dass Donald Trump die Ukraine zu Ermittlungen drängte, um Biden in Verlegenheit zu bringen. Es gibt erste Indizien dafür, und die reichen schon, um den politischen Betrieb in Washington zu elektrisieren.

Whistleblower: Politischer Betrieb in Washington ist elektrisiert
Foto: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Noch sind es nur Teile eines Puzzles. Sind sie erst zusammengefügt, kommen neue Informationen hinzu, könnten sie das Bild eines handfesten Skandals ergeben. Oder aber das Ganze entpuppt sich als Sturm im Wasserglas. Im Raum steht der Verdacht, dass US-Präsident Donald Trump die Regierung der Ukraine zu Ermittlungen drängte, um Joe Biden, womöglich im nächsten Jahr sein Kontrahent bei der Wahl, in Verlegenheit zu bringen. Es gibt erste Indizien dafür, und die reichen schon, um den politischen Betrieb in Washington zu elektrisieren.

Hat der amerikanische Präsident ein Gespräch mit seinem Amtskollegen in Kiew genutzt, um Munition für die zu erwartende Schlammschlacht des Herbstes 2020 zu sammeln? Hat er Druck auf die Ukraine ausgeübt, damit er Biden schaden kann? Hat er seinem Geheimdienstkoordinator einen Blockadekurs verordnet, während die Demokraten im Kongress die Wahrheit ans Licht bringen wollen? Die Fragen lassen es brodeln in der Gerüchteküche. Eindeutige Antworten gibt es bislang nicht.

Unstrittig ist, dass ein Mitarbeiter eines amerikanischen Geheimdienstes vor einigen Wochen Dinge gehört hat, die er als verstörend empfand. Unter anderem, so Medienberichte, soll ihn der Inhalt eines Gesprächs alarmiert haben, das Trump am 25. Juli mit Wolodimir Selenskij führte, dem neuen Präsidenten der Ukraine. Statt sein Wissen mit Journalisten zu teilen, wie es etwa Edward Snowden einst tat, wählte der Anonymus den Dienstweg und wandte sich an den Generalinspekteur der Geheimdienste.

Dieser, ein Jurist namens Michael Atkinson, hat zu entscheiden, ob Meldungen über mögliches Fehlverhalten in der Regierung so brisant sind, dass der Kongress als Kontrollinstanz eingeweiht werden muss. Da er die Frage in diesem Fall mit Ja beantwortete, bat er den Director of National Intelligence, den Koordinator der Geheimdienste, die zuständigen Ausschüsse des Parlaments zu verständigen. Der allerdings, der Antiterrorexperte Joseph Maguire, verlegte sich aufs Bremsen.

Maguire, der sein Amt nur kommissarisch ausübt, hält sich strikt an die Linie, die ihm William Barr, Trumps treu ergebener Justizminister, vorgegeben hat. Demnach handelt es sich bei einer Unterredung zwischen Staatschefs um eine Angelegenheit, die nur die Exekutive etwas angeht, nicht die Legislative, die folglich auch nicht ins Bild gesetzt werden müsse. Der Inspekteur Atkinson sieht es anders, weshalb er sich, den Konflikt mit Maguire nicht scheuend, direkt ans Parlament wandte. Am 9. September schrieb er an Adam Schiff, den Vorsitzenden des Geheimdienstausschuss im Abgeordnetenhaus, um die Bedenken des Whistleblowers zu schildern. Der Demokrat Schiff, seit Langem ein scharfer Kritiker Trumps, spricht nun von einer "beispiellosen" Blockadehaltung des Kabinetts. Möglicherweise versuche jemand "auf einer höheren Ebene", das System zu manipulieren, um dem Kongress die Beschwerde eines Whistleblowers vorzuenthalten und so den Präsidenten zu schützen.

Noch brisanter wurde es, als die beiden führenden Zeitungen des Landes am Freitag mit Details nachlegten. Im Zentrum des Verdachts stehe der Umgang des Präsidenten mit der Ukraine, schrieben sowohl die "New York Times" als auch die "Washington Post" unter Berufung auf Geheimdienstkreise. Seither ist es vor allem ein Name, der durch die Gerüchteküche schwirrt: Hunter Biden. Der jüngere der beiden Söhne Joe Bidens saß fünf Jahre lang im Aufsichtsrat von Burisma Holdings, eines in Limassol auf Zypern registrierten Konzerns, der ukrainische Erdgasvorkommen erschließt. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, räumte er seinen Posten, als sein Vater im April seine Kandidatur fürs Weiße Haus bekanntgab. Rudy Giuliani, einst Bürgermeister New Yorks, heute Trumps persönlicher Anwalt, soll bereits vor geraumer Zeit in Kiew darauf gedrängt haben, wegen Korruptionsverdachts gegen ihn zu ermitteln. Trump, spekuliert man in Washington, könnte dem Anliegen gegenüber Selenskij Nachdruck verliehen haben.

Der Präsident, der den Schlapphüten bereits kurz nach seinem Wahlsieg unterstellte, ihm Knüppel zwischen die Beine werfen zu wollen, streitet indes sämtliche Vorwürfe ab. Wann immer er mit ausländischen Politikern am Telefon spreche, twitterte er, sei er sich im Klaren darüber, dass "viele Leute von verschiedenen US-Dienststellen" zuhörten, von denen des jeweils anderen Landes ganz zu schweigen. Ob man wirklich so dumm sein könne, um zu glauben, dass er bei solchen Unterredungen "etwas Unangemessenes" sage?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort