Wahl in NRW Parteien-Stress im Blitzwahlkampf

DÜSSELDORF · Statt teurer Großveranstaltungen gewinnen Twitter und Facebook im Wahlkampf immer mehr an Gewicht. Neuwahl des NRW-Landtags an Muttertag.

 Wahl-Werbung: SPD-Generalsekretär Michael Groschek vor dem ersten Wahlplakat der SPD.

Wahl-Werbung: SPD-Generalsekretär Michael Groschek vor dem ersten Wahlplakat der SPD.

Hektik, Überstunden, Urlaubssperre - der "Blitzwahlkampf" in NRW wird für die Parteien zum stressigen Kraftakt. Noch hängen keine Plakate, nur vereinzelt wagen sich erste Wahlkämpfer mit ihren Ständen in die Innenstädte. Hinter den Kulissen aber werden unter Hochdruck Rednereinsätze, Werbematerial und Internet-Foren organisiert.

Am 13. Mai, Muttertag, wählt NRW den neuen Landtag. Geld und Zeit sind knapp - teure Großveranstaltungen und Großplakate werden seltener, der Wahlkampf billiger. Dafür haben die Parteien ihre Web-Teams für soziale Netzwerke im Internet aufgestockt. In Zeiten, in denen Wahlen oft erst in den letzten zwei Wochen entschieden werden, gewinnen Twitter, Blogs und Facebook gerade bei Jungwählern immer mehr an Bedeutung.

Während die SPD voll auf den Personalwahlkampf mit Hannelore Kraft und Plakate der Spitzenkandidatin mit dem Landesmutterimage setzt, plant die NRW-CDU einen offensiven Schuldenwahlkampf. "Reicht es aus, nur nett zu sein, um das bevölkerungsreichste Bundesland zu regieren?", fragt CDU-Generalsekretär Oliver Wittke, der politische Inhalte bei den Sozialdemokraten vermisst. SPD-Generalsekretär Michael Groschek gibt sich gelassen und stimmt in der Kampagne den Dreiklang aus "Sparen, Investieren und sozialer Gerechtigkeit" an. Die SPD organisiert nach dem Johannes-Rau-Erfolgsrezept einen Wohlfühl-Wahlkampf in NRW.

Die Grünen sehen den auf Kraft zugeschnittenen SPD-Wahlkampf mit gemischten Gefühlen. Intern wächst die Sorge, dass die Ökopartei im Medien-Duell Kraft/Röttgen aus dem Blickfeld geraten könnte. Den Grünen fehlt das ganz große Wahlkampfthema. Die Ökologie haben sich längst alle Parteien auf die Fahne geschrieben, das Schulthema eignet sich nach dem Konsens mit CDU und SPD kaum mehr zur Eigenprofilierung.

Gleichzeitig gehen die Piraten auf Kaperfahrt und räubern im Revier der alternativen Jungwähler. Im Netz haben die politisch wenig sortierten Piraten ein Heimspiel. Twitter-Sprüche wie "Wir haben keine Ahnung und davon viel" treffen in der Netzgemeinde auf Sympathien. Den grünen Vorwurf, die Piraten-Partei biete keine Inhalte, lassen deren Aktivisten locker an sich abtropfen. Mit 120 000 Euro Wahlkampfetat ist Koordinator Lukas Lamla gut ausgestattet.

Mit Wahlkampf-Schnickschnack wie blau-gelben Kugelschreibern muss FDP-Hoffnungsträger Christian Lindner sparsam umgehen. FDP-Generalsekretär Joachim Stamp blickt nach dem Mitgliederschwund der letzten Monate in eine wenig gefüllte Parteikasse. Dafür hat der als Retter in der Not eingesprungene Spitzenkandidat Lindner ein klares Motto: Es geht in NRW ums Überleben der Liberalen. Innerhalb von zwei Wochen hat das Zugpferd die Umfragwerte von zwei auf vier Prozent verdoppelt. Dabei buhlt der Liberale gezielt um wirtschaftsnahe Unionswähler.

Auch die Linkspartei muss in NRW um ihre Wiederwahl ins Parlament fürchten. Die Partei will sich im Wahlkampf als einzig linke Kraft in NRW präsentieren. Wegen der geringen Mitgliederzahl und des Mini-Budgets wird der Wahlkampf für die Linke zum gefährlichen Drahtseilakt.

Schlaflose Nächte hat auch Landeswahlleiterin Helga Block mit ihren sechs Mitarbeitern bis zur ersten vorgezogenen Landtagswahl an Rhein und Ruhr vor sich. Im Innenministerium laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

Zwei Jahre nach dem letzten NRW-Urnengang mühen sich die Parteien um die Mobilisierung der vielfach wahlkampfmüden Basis. Die Regierungsparteien SPD und Grüne nutzen den Amtsbonus und verbreiten im Wahlkampf täglich frohe Botschaften: Mal sind es die neuen U3-Plätze in Kitas, dann die Einstellung neuer Lehrer und das Projekt "Kein Kind zurücklassen".

Die CDU intoniert im Gegenzug das Lied von der "Schuldenkönigin" Kraft. An der Gebührenfreiheit für Studium und das letzte Kita-Jahr will die CDU allerdings nicht rütteln. "Wir wollen nicht alles rückgängig machen, was Rot-Grün gemacht hat", sagte Wittke.

Vom Wahl-Virus infiziert sind die mehr als zwölf Millionen Wahlberechtigten nach der Auflösung des Landtags bisher noch nicht. Vor den Ostertagen werden die Parteien mit bunten Ostereiern für ihre Sache werben. Nach den Osterferien soll der Wahlkampf in NRW richtig loslegen. Dann schwärmen auch Promis von Merkel bis Gabriel wieder in den NRW-Städten aus.

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