Interview mit Philipp Schmitz Offene Kommunikation im Priesterseminar

Pfingsten offenbart im Jahr 2019 ein bedrohliches Siechtum. Die Kirche findet kaum noch Glaubenszeugen. Als einziger Priesterkandidat seines Bistums wird Philipp Schmitz an diesem Samstag zum Priester geweiht. Mit ihm sprach Horst Thoren.

In Deutschland werden kaum noch Priester geweiht. Fühlt man sich da ein bisschen als Exot, wenn man jetzt der einzige Priesterkandidat im Bistum Aachen ist?

Philipp Schmitz: Ja, ein bisschen exotisch schon. Ich kenne aus meiner Altersstufe niemanden, der diesen Schritt gemacht hat. Aber ich habe mich dafür entschieden. Ich freue mich auf den Priesterberuf.

Und dennoch wird es ein einsamer Moment sein, wenn Sie an diesem Samstag als einziger auf dem Boden des Doms liegen …

Schmitz: Schöner ist es natürlich, wenn man als Gruppe diesen Schritt zur Priesterweihe macht. Weil es ja auch ein Fest der Kirche ist und nicht ein Privatfest. Damit fehlt der stärkende Effekt der Gemeinschaft. Aber allein bin ich dennoch nicht. Es werden viele Priester da sein und mich durch Handauflegung in die Gemeinschaft aufnehmen.

Sie werden Priester in einer Zeit, in der das Weiheamt ein schlechtes Image hat. Priester stehen angesichts der Missbrauchsvorwürfe unter besonderer Beobachtung. Wie gehen Sie damit um?

Schmitz: Alles, was wir tun, wird beäugt. Das hat sicherlich Gründe. Ich versuche einen natürlichen Umgang zu pflegen – auch und gerade mit Kindern und Jugendlichen, die ja in der Gemeinde einen wichtigen Stellenwert haben. Dass das Image des Berufes insgesamt angegriffen ist, beschäftigt mich schon. Aber in der Gemeinde, in der konkreten Begegnung, habe ich bis jetzt keine Erfahrungen gehabt, wo ich sagen muss, da hat mich jemand blöd von der Seite angemacht.

Der Umgang mit Kindern – gibt es da jetzt spezielle Verhaltensmaßregeln?

Schmitz: Bei aller berechtigten Kritik: Die katholische Kirche ist auch die Institution, die bei der Aufarbeitung wirklich etwas macht: Alle Haupt- und Ehrenamtler werden geschult in Präventionskursen und verpflichten sich zu einem Verhaltenskodex, der gewisse Dinge festlegt. Zum Beispiel, dass man nach Möglichkeit nicht alleine mit Kindern in einem Raum sein soll, oder zumindest eine Türe offensteht. Selbstverständlich ist auch, dass Betreuer nicht mit Kindern in einem Zimmer schlafen bei Jugendfreizeiten.

Welche Rolle hat im Priesterseminar die Frage der Sexualität gespielt?

Schmitz: Es wird jetzt vieles ganz offen thematisiert. Ich denke, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zölibatäres Leben bedeutet ja nicht, die Sexualität als eine Seite der menschlichen Existenz auszublenden. Dass dieses Thema auf der Agenda steht, ist wichtig, und dass dies jetzt noch mal forciert worden ist, hat seine Berechtigung.

Wann ist bei Ihnen der Entschluss gereift, Priester zu werden?

Schmitz: Ich war als Kind lange Jahre Messdiener. Das war eine Mischung aus kindlicher Schwärmerei, aber schon mit einem gewissen Ernst. Ich habe dann Zivildienst geleistet und eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Also etwas Bodenständiges. Ich merkte aber in dieser Zeit, dass ich auf jeden Fall noch Theologie studieren möchte. Erst während dieses Studiums in Münster habe ich dann den Entschluss gefasst, Priester zu werden.

Gab es einen auslösenden Moment?

Schmitz: Eher eine Zeit der reiflichen Überlegung. Ich habe ein Jahr in Jerusalem studiert, auch um mich selbst zu prüfen. Dort habe ich mich schließlich entschieden, mich beim Priesterseminar in Aachen zu bewerben.

Wie haben Ihre Eltern auf Ihren Entschluss reagiert, dass ihr Sohn Priester werden will?

Schmitz: Meine Mutter war von Anfang an nicht so ganz begeistert, aber die Wogen haben sich geglättet.

Sie hätte sich eher Enkelkinder gewünscht?

Schmitz: Ja. Ich habe ja auch noch zwei Geschwister. Die Chancen sind also noch da.

Können Sie drei Gründe formulieren, warum Sie sich letztlich für das Weiheamt entschieden haben?

Schmitz: Der erste Grund: Es war von Anfang an eine Faszination da, die mich nie losgelassen hat. Zum Zweiten: Es ist ein wahnsinnig toller Beruf. Der dritte Grund ist, dass ich glaube, dass die Kirche Leute in den Dienst nimmt. Es ist ein Zuspruch von außen, jemandem zu sagen, „genau dich will Gott in seiner Kirche in den Dienst nehmen“.

Was geben Sie als Priester auf, was Ihnen früher wichtig war?

Schmitz: Lange Zeit hätte ich mir auch ein Familienleben vorstellen können. Mit Kindern Umgang zu haben, ist immer eine große Bereicherung. Ich sehe aber auch viele Menschen, die ohne Familie ein glückliches Leben führen. In mir ist die Einsicht gewachsen, dass es ganz viele Wege zu einem glücklichen, erfüllten Leben gibt. Die priesterliche zölibatäre Lebensform kann auch so ein Weg sein zu einem glücklichen Leben. Wenn ich jetzt vor den Traualtar träte und würde sagen: „bis der Tod uns scheiden mag“, das kann auch eine Herausforderung werden.

Ist der Zölibat auf Dauer wichtig für das Selbstverständnis des Priesteramtes?

Schmitz: Nein. Der Zölibat ist eine Größe des Kirchenrechts, die sich irgendwann entwickelt hat. Und das andere ist eben das Weiheamt. In der Tradition haben sich diese beiden Dinge miteinander verknüpft. Man kann das aber nicht mal eben über Bord werfen. Die Debatte ist wichtig. Die Wirkung wird aber überschätzt. Ich habe bei einer Rom-Wallfahrt mit Messdienern im Alter von 16 bis 24 Jahren gefragt, wer sich vorstellen könnte, Priester zu werden, wenn es den Zölibat nicht gäbe. Keiner. Die Abschaffung des Zölibats würde nicht die Kirche retten.

Was macht Ihnen Sorgen im künftigen Amt, und worauf freuen Sie sich besonders?

Schmitz: Sorge macht mir schon die starke Polarisierung innerhalb der Kirche. Da gibt es Grabenkämpfe – zwischen verschiedenen Gemeinden, zwischen Gruppen in den Gemeinden, zwischen Männern und Frauen, zwischen Alt und Jung. Das kostet sehr viel Energie. Und diese Energie fehlt in der Verkündung. Meine Hoffnung ist, dass wir eine Kirche sind, die um Jesus Christus kreist und nicht um sich selbst. Ich freue mich auf den Dienst als Priester, darauf, Menschen von Jesus Christus zu erzählen, ihnen zu vermitteln, dass der Glaube mehr ist als die Logik hier auf Erden.

Wie sieht die praktische Ausbildung aus?

Schmitz: Die Predigt macht einen großen Teil aus. Auch die Beerdigung wird geübt und Taufen. Zudem gibt es einen Beicht-Kurs: Wie geht das im Beichtstuhl, wie reagiere ich auf was? Das alles sind Dinge, die im Studium keine Rolle spielen.

Was zeichnet eine gute Predigt aus?

Schmitz: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es stark darauf ankommt, wie man den Inhalt rüberbringt. Da ist ganz viel rhetorisches Handwerk gefragt. Bei Trauungen und Taufen, auch bei Beerdigungen, ist die persönliche Ansprache wichtig. Eine Leben nachzeichnen kann jeder, zusammenfassen, was in der Bibel steht, ist keine Kunst. Beides miteinander zu verknüpfen, ist die Herausforderung für einen guten Prediger.

Sie tragen ein Collarhemd und sind damit als Seelsorger erkennbar…

Schmitz: Das ist kein Zeichen der Abgrenzung, sondern eines der Präsenz. Ich will damit zeigen: Hier ist einer von der Kirche. Wo katholisch drauf steht, soll auch katholisch drin sein. Wir dürfen uns als Kirche nicht davor drücken, Profil zu zeigen. Gerade in der heutigen Zeit.

Was verstehen Sie unter Berufung?

Schmitz: Berufung ist nicht exklusiv etwas, was mit Priester oder mit Diakon zu tun hat. Es gibt genauso eine Berufung als Ehemann, eine Berufung als Ordensfrau. Wichtig ist: Wir sind alle als Christen berufen. Das ist etwas Besonders. Es ist keine Selbstverständlichkeit, heute Christ zu sein. Aber es bleibt etwas Tolles. Die Freude daran vermisse ich manchmal ein bisschen.

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