Europapolitische Debatte im Bundestag "Nur" eine Regierungserklärung

BERLIN · Bei der europapolitischen Debatte im Bundestag stand die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund. Von Duell ist zuvor die Rede. Dass daraus nichts werden würde, ist schnell klar.

 Debatte über den Euro: Redner Peer Steinbrück und Zuhörerin Angela Merkel gestern im Plenum.

Debatte über den Euro: Redner Peer Steinbrück und Zuhörerin Angela Merkel gestern im Plenum.

Foto: dpa

Die Troika der SPD macht an diesem Morgen den Eindruck, nicht besonders gesprächig zu sein. In der ersten Fraktionsreihe rahmen SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Steinbrück.

Je länger sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Regierungserklärung aufhält, desto schweigsamer wird das SPD-Trio. Gabriel wechselt ein paar Worte mit dem Kandidaten, der sich die Brille in einer Intensität putzt, dass man um den Bestand der Augengläser fürchten muss. Nur Steinmeier schaut starr auf ein Manuskript. Er wird bei den Gesprächen kaum einbezogen.

Donnerstagmorgen neun Uhr, Zeit für einen von den Medien mächtig aufgepumpten Schlagabtausch. Von Duell ist die Rede. Dass daraus nichts werden würde, ist schnell klar: Merkel gibt eben "nur" eine Regierungserklärung zu den zukünftigen europapolitischen Vorstellungen der Koalitionsregierung ab. Merkel wirkt phasenweise rhetorisch ganz munter.

Sie begründet, warum sie den Gedanken eines Währungskommissars mit Eingriffsrechten in die nationalen Haushalte für gut befindet. Da kriegt sie noch den meisten Applaus. Sie verkneift sich jede innenpolitische Stellungnahme mit Wahlkampfbezug. Der Name Steinbrück, mit dem sie während der vier Jahre der großen Koalition blendend zusammengearbeitet hatte, kommt nicht einmal über ihre Lippen.

Die Tatsache, dass der Friedensnobelpreis der EU zuerkannt wurde, wertet sie als Lob wie auch als Mahnung, die Krisenbewältigung zu einem erfolgreichen Ende zu führen.

Die Kanzlerin hat eine gute halbe Stunde gesprochen. Der Applaus der Koalitionsparteien ist langanhaltend, aber nicht gerade euphorisch.

Man merkt auch dem Herausforderer an, dass er an einem rhetorischen Duell zu einem so frühen Zeitpunkt kein nennenswertes Interesse hat. Trotzdem ist seine Rede gespickt mit Kritik an der Regierungspolitik. Man habe ein "Mobbing" gegenüber Griechenland begonnen: also eine gezielte Bedrohungshaltung gegenüber einem EU-Mitgliedstaat zugelassen.

Erst vor wenigen Wochen habe man den Schalter umgelegt und durch die Kanzlerin deutlich gemacht, dass Griechenland weiter in der Eurozone bleiben solle. Die positiven Signale hätte man schon vor zwei Jahren übermitteln können, so Steinbrück. Die Bundesregierung habe Deutschland geschadet. Und außerdem: "Europa ist weit mehr als ein Wechselbalg der Rating-Agenturen."

Natürlich wird auch der SPD-Kanzlerkandidat kritisiert. FDP-Faktionschef Rainer Brüderle spielt auf die Redner-Erlöse des Herausforderers an: Kanzler sei "kein Nebenjob". Unions-Fraktionschef Volker Kauder erinnert an die Äußerungen Steinbrücks, man solle die Kavallerie in den Schwarzgeld-Staat Schweiz schicken, um die Steuersünder besser zu bekämpfen.

Der Herausforderer widerspricht vehement, dass er deshalb außenpolitischen Flurschaden angerichtet habe. "Leisetreterei" in Sachen Steuerhinterziehung werde er nicht dulden.

Ähnlich wie nach der Kanzlerinnen-Rede ist der Applaus für den Herausforderer lang anhaltend, aber nicht euphorisch: "Es sollte auch nur ein erstes politisches Herantasten sein", meint einer seiner Berater. Und er fügt hinzu: "An Steinbrück wird sich mancher noch die Zähne ausbeißen."

Die Wut der Griechen
Während eines Generalstreiks in Griechenland haben sich Demonstranten und die Polizei gestern heftige Auseinandersetzungen geliefert. Hunderte von Protestierende schleuderten in Athen Brandbomben, Steine und Flaschen auf die Beamten. Die Polizisten antworteten daraufhin mit dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten.

Rund 50 Menschen seien festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Eine Kundgebung in Thessaloniki im Norden des Landes ging hingegen friedlich zu Ende. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel wurde über die finanzielle Zukunft Griechenlands debattiert. Die Zusammenstöße auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen dauerten Stunden. Dabei seien vier Demonstranten verletzt worden, sagten Sanitäter. Das Gesundheitsministerium teilte mit, zwei Menschen würden wegen leichter Verletzungen in Krankenhäusern behandelt.

Ein 65-Jähriger habe noch vor Beginn der Unruhen einen tödlichen Herzinfarkt erlitten, sagten die Organisatoren der Demonstrationen. Mit dem zweiten Generalstreik innerhalb eines Monats protestierten die griechischen Gewerkschaften gegen das strikte Sparprogramm der Regierung. Unter anderem legten die Angestellten im öffentlichen Nah- und Fernverkehr für einen Tag die Arbeit nieder.

Auch Taxifahrer und Einzelhändler in Athen und anderen Städten beteiligten sich an dem Ausstand. Schulen, Kliniken und Geschäfte blieben geschlossen, zahlreiche Flüge wurden gestrichen.

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