Analyse zur NRW-Landesregierung Was aus den Versprechen von Rot-Grün geworden ist

Düsseldorf · Wir beleuchten, was die rot-grüne Landesregierung bei Amtsantritt versprochen hat und ob die Versprechen in NRW umgesetzt worden sind.

Der Rahmen war feierlich, die Stimmung gut: Am 18. Juni 2012 unterschrieben NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) im Ständehaus den Koalitionsvertrag für die Jahre 2012 bis 2017. Unsere Zeitung hat die Landesregierung an ihren Versprechen gemessen.

Versprochen: „Nach wie vor hängt der Bildungserfolg viel zu sehr vom sozialen Status der Eltern ab. … Wir wollen ein sozial gerechtes und leistungsförderndes Schulsystem schaffen.“

Fakt ist: In den fünf Jahren hat sich nicht viel verändert. „Das Schulsystem in NRW ist weiterhin selektiv“, stellt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fest. „In keinem anderen Bundesland wird so wenig Geld pro Schülerin und Schüler ausgegeben wie in Nordrhein-Westfalen“, steht im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamts. Der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, meint dazu: „Da muss deutlich mehr passieren, wenn NRW nicht das ewige Schlusslicht bleiben soll. Die Zahlenspiele der Landesregierung können die bestehenden Defizite nicht dauerhaft zudecken.“ In NRW flössen nur 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in öffentliche Bildungsausgaben; in anderen Ländern liege die Quote bei bis zu 5,2 Prozent.

Versprochen: „Die Kinder und Jugendlichen, die Lehrkräfte und die Schulen sollen gemeinsam von der Inklusion profitieren.“

Fakt ist: Die Unzufriedenheit ist bei allen Beteiligten groß. Das liegt vor allem daran, dass die inklusiven Schulen zu wenige Sonderpädagogen haben. Wünschenswert wäre, dass in (nahezu) jeder Unterrichtsstunde zwei Kräfte vorhanden wären, von denen sich eine um die Kinder und Jugendlichen mit Behinderung kümmern könnte. Doch die Wirklichkeit sieht vielfach anders aus: Sonderpädagogen bekommen mehrere Schulen zugewiesen, zwischen denen sie pendeln müssen.

Versprochen: „Wir werden den begonnenen Weg zur Entschärfung der Schulzeitverkürzung fortsetzen.“

Fakt ist: Der Zug geht in die andere Richtung. Der Versuch, am „Runden Tisch“ mit allen Beteiligten Modifikationen für G8 auszuhandeln, ist gescheitert, weil sich Grüne und SPD dafür entschieden haben, doch wieder G9 zu ermöglichen. Jetzt herrscht heilloses Durcheinander bei den Reformen. Wer was genau will, ist nur noch für Experten durchschaubar. Vor allem Schulministerin Löhrmann wirkte zeitweise konzeptionslos.

Versprochen: Im Zentrum der Förderung beim Wohneigentum „sollen Familien mit Kindern stehen“.

Fakt ist: NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat mit Wirkung zum 1. Januar 2015 die Aufstockung der Grunderwerbsteuer von damals fünf auf 6,5 Prozent verkündet. Damit hat NRW den Höchstsatz erreicht. In Bayern beträgt er nur 3,5 Prozent. Gerade für junge Familien, die auf ein Eigenheim sparen, ist das eine bittere Pille. Bei einem Kaufpreis von 250 000 Euro sind seither 16 250 Euro Grunderwerbsteuer fällig – 3750 Euro mehr als früher.

Versprochen: „Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist unser Ziel. Dazu muss die Neuverschuldung weiter zurückgeführt werden.“

Fakt ist: Formal wurde das Versprechen gehalten. Der letzte komplett von Schwarz-Gelb zu verantwortende Haushalt 2009 wies 5,6 Milliarden Euro neue Schulden aus. Im rot-grünen Haushalt 2016 stand ein Überschuss von rund 270 Millionen Euro. In den Jahren dazwischen hat Rot-Grün die Neuverschuldung kontinuierlich zurückgefahren. Aber nur formal. 2016 gab es außergewöhnliche Rekordsteuereinnahmen. Sie sind deutlich stärker gestiegen, als die Neuverschuldung zurückgefahren wurde – wirklich gespart hat Rot-Grün nicht. In den letzten Jahren zeigte die Kurve der Neuverschuldung nur deshalb stetig nach unten, weil Rot-Grün etliche Sondereffekte verbuchte. Mal musste ein Landesbetrieb einen Kredit vorzeitig an das Land zurückzahlen, mal wurden Ausgaben wie Zahlungen an die Pensionsvorsorge auf andere Haushaltsjahre verlagert. Für 2017 plant Rot-Grün 1,6 Milliarden Euro neue Schulden – mehr als alle anderen Länder zusammen.

Versprochen: „(…) werden wir ein Klimaschutzgesetz in den Landtag neu einbringen. Der Ausstoß von CO2 soll in NRW bis 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Das Klimaschutzgesetz legt Klimaschutzziele für NRW fest und setzt den rechtlichen Rahmen.“

Fakt ist: NRW hat am 23. Januar 2013 das erste deutsche Klimaschutzgesetz mit gesetzlichen Klimaschutzzielen verabschiedet. Es formuliert Ziele, die über die des Bundes und der EU hinausgehen. Die Umsetzung sollte ein Klimaschutzplan definieren. Den hat Rot-Grün 2015 vorgelegt. Dort wird das Klimaschutzgesetz faktisch aber bis auf Weiteres wieder kassiert, denn in dem Plan steht: „Die Landesregierung beabsichtigt in dieser Legislaturperiode nicht, Teile des Klimaschutzplanes für rechtsverbindlich zu erklären.“

Versprochen: „Um Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kita zu stärken, brauchen wir eine auskömmliche Finanzierung. Diese werden wir für die kommunalen sowie die freien gemeinnützigen Einrichtungen und Träger sicherstellen.“

Fakt ist: Zwar ließ NRW-Familienministerin Christina Kampmann (SPD) die 431 Millionen aus dem verfassungswidrigen Betreuungsgeld den Kitas in NRW zukommen. Doch deren Finanznot ist damit nicht behoben. Allein im Erzbistum Essen sind laut Träger 100 Einrichtungen von Schließung bedroht. Ein neues Kita-Gesetz wird es in dieser Wahlperiode nicht mehr geben, obwohl die Ministerin noch im Januar versichert hatte, sie werde Eckpunkte für eine neue Kita-Finanzierung bis zum Ende der Wahlperiode vorlegen.

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