Lernhilfe oder Fehlerquelle? "Schreiben nach Hören" steht in NRW vor dem Aus

Düsseldorf · NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer lehnt ab, Grundschüler zunächst ohne Rechtschreib-Kontrolle starten zu lassen. Die Lehrmethode "Schreiben nach Hören" steht vor dem Aus.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) lehnt das Verfahren "Schreiben nach Hören" für Grundschüler grundsätzlich ab. "Das werden wir uns genau ansehen. Ich bin keine Freundin dieser Methode", sagte Gebauer unserer Redaktion.

"Schreiben nach Hören" sei nur für Erstklässler sinnvoll. "Danach ist diese Methode nicht mehr zielführend, gerade für Kinder mit Migrationshintergrund."

"Schreiben nach Hören" wird unter Fachleuten meist "Lesen durch Schreiben" genannt, weil der Methode die Annahme zugrunde liegt, Schreiben gehe dem Lesen voraus.

Der Ansatz wurde in den 70er Jahren vom Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen entwickelt: Kinder sollen Lesen lernen, indem sie Wörter aufschreiben; Korrektur der Rechtschreibung ist zunächst nicht zentral. An dem Verfahren gab es immer wieder Kritik; 2013 hatte etwa die FDP gefordert, "Lesen durch Schreiben" auszusetzen.

"Lesen durch Schreiben" ist "hochproblematisch"

Auch wissenschaftlich ist die Methode umstritten. "Wir wissen, dass Erstklässler, die mit ,Lesen durch Schreiben' lernen, rechtschreibschwächer sind als Schüler, die etwa mit Fibeln lernen", sagte Agi Schründer, Professorin für Grundschulpädagogik an der Universität Potsdam.

Zwar glichen sich die Fähigkeiten bis Klasse 3 oder 4 wieder an. "Lesen durch Schreiben" sei aber "hochproblematisch", wenn es als einzige Methode und noch in Klasse 2 oder sogar 3 eingesetzt werde. "Wichtig ist, dass die Erstklässler nicht nur frei schreiben dürfen, sondern von Anfang an auch einen orthografisch korrekten Grundwortschatz lernen", so Schründer.

In NRW ist "Schreiben nach Hören" nicht explizit in den Lehrplänen verankert; Schulen oder Lehrer entscheiden über die Anwendung. Daher liegen auch keine Zahlen vor, wie viele Kinder nach der Methode lernen.

Gebauer kündigte an: "Ich werde mir ansehen, wie andere Bundesländer damit umgehen. Dann treffen wir zügig eine Entscheidung." Nach Informationen unserer Redaktion soll es in den nächsten Monaten einen Vorstoß aus dem Ministerium oder den Regierungsfraktionen geben.

Baden-Württemberg und Hamburg haben das schon unterbunden.

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