Untersuchungsausschuss Kölner Silvesternacht „Stoff für Verschwörungstheorien“

Düsseldorf · Der Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zur Kölner Silvesternacht rätselt über einen mysteriösen Vertuschungsversuch.

 Der Zeugen-Platz ist während einer Pause des Untersuchungsausschusses des NRW-Landtags zur Silvesternacht leer.

Der Zeugen-Platz ist während einer Pause des Untersuchungsausschusses des NRW-Landtags zur Silvesternacht leer.

Foto: dpa

Die mehr als sechsstündige Sondersitzung des Untersuchungsausschusses im Landtag zur Aufklärung der Kölner Silvesterübergriffe neigte sich fast dem Ende zu, als dem Vorsitzenden Peter Biesenbach (CDU) plötzlich kopfschüttelnd ein Kommentar entfuhr: „Das ist alles Pleiten, Pech und Pannen.“

Die Abgeordneten waren mitten in der parlamentarischen Sommerpause zusammengekommen, um noch einmal den politisch brisantesten Vertuschungsvorwurf gegen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) abzuklopfen. Es geht um die Frage, ob ein Anrufer aus der Jäger unterstellten Landesleitstelle am Neujahrstag die Kölner Kriminalwache unter Druck gesetzt hat.

Im Mai hatten zwei Kölner Kripo-Beamte ausgesagt, dass es am 1. Januar zu einem sehr ungewöhnlichen Telefonat auf der Kriminalwache gekommen sei. Ein bis heute Unbekannter habe in barschem Ton verlangt, den Begriff „Vergewaltigung“ aus einer der ersten internen Polizeimeldung über die massenhaften Übergriffe auf dem Domvorplatz zu streichen. Dies sei ein Wunsch aus dem Ministerium. In der Hektik des Schichtwechsels hatte der Kölner Hauptkommissar den Namen des Anrufers nicht notiert. Gleichwohl wurde der Einmischungsversuch bereits Anfang Januar im Polizeipräsidium aktenkundig.

Seither steht der Vorwurf im Raum, die Kölner Ereignisse sollten zunächst auf Geheiß der Ministeriumsspitze verharmlost werden. Seit Monaten versucht der Untersuchungsausschuss, die Telefonverbindung zu rekonstruieren. Über die Speicherungsmöglichkeit der eingehenden Anrufe gab es von verschiedenen Stellen widersprüchliche Angaben. Am Dienstag erfuhr der Untersuchungsausschuss die vorerst letzte Wendung.

Jägers Staatssekretär Bernhard Nebe (SPD) eröffnete den Abgeordneten am Dienstag, dass die allermeisten Anrufe zwischen Landesbehörden und Polizeidienststellen auf ein internes Sondernetz umgeleitet würden und deshalb praktisch gar nicht aufgezeichnet werden könnten. Gleichwohl habe er bereits am 20. Januar alle beteiligten Behörden „im Rahmen eines umfassenden Aufklärungs- und Mitwirkungsinteresses“ vorsorglich aufgefordert, Verbindungsdaten zu sichern. NRW-Polizeiinspektor Bernd Heinen sei beauftragt worden, diesen Wunsch auch dem Kölner Präsidium zu übermitteln. Dort konnte sich der stellvertretende Behördenchef Manuel Kamp jedoch an einen solchen Auftrag nicht erinnern.

„Es spricht aus meiner Sicht nichts dafür, dass ein solcher Anruf aus der Landesleitstelle erfolgt ist“, erklärte Nebe entschieden. Allerdings gibt es erhebliche Ungereimtheiten über die Speicherung von privaten Anrufen, die am Neujahrstag bei der Kölner Kriminalwache eingegangen sein könnten. Diese werden auf einem separaten Gebührenrechner gespeichert – lassen sich aber ausgerechnet nur noch bis zum 3. Januar zurückverfolgen. Leider wurde die Sicherung der Daten erst am 2. Juni angegangen.

„Das ist der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien sind“, sagte sogar der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas, der sich im Untersuchungsausschuss bislang eher um die Verteidigung des angeschlagenen Innenministers Jäger verdient gemacht hatte. Der leitende Kölner Polizist Kamp hatte noch im Mai als Zeuge berichtet, Anrufe auf dem sepraten Gebührenrechner ließen sich ohnehin nur zwei Monate rückwirkend sichern. Später hieß es, die Sicherung sei doch vier Monate lang möglich. Eine technische Wartung soll zu diesen Missverständnissen geführt haben.

Obwohl der mögliche Vertuschungsversuch seit Monaten die gesamte Landespolitik beschäftigt, will sich Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann erst gar nicht so richtig für die Vorgänge interessiert haben: „Für mich“, betonte er am Dienstag, „hatte dieses vermeintliche Telefonat keine fachliche Bedeutung.“

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