Kommentar zum Klimagipfel Noch ein Mini-Konsens

Meinung | Bonn · Die Weltklimakonferenz COP24 endete mit mauen Ergebnis. So lassen sich keine Sprünge machen – und so ruckelt der Rettungszug gegen die menschengemachte Erwärmung seit Jahren von Mini-Konsens zu Mini-Konsens.

 Kohlekraftwerk: Die Naturgesetze unterscheiden nicht, ob das Kohlendioxid aus deutscher Braunkohle, US-Geländewagen oder Regenwald-Flammen stammt.

Kohlekraftwerk: Die Naturgesetze unterscheiden nicht, ob das Kohlendioxid aus deutscher Braunkohle, US-Geländewagen oder Regenwald-Flammen stammt.

Foto: dpa

Es bleibt richtig, dass kein Land allein das Erdklima retten kann. Und es gibt bisher keine andere institutionelle Klammer als die Vereinten Nationen, um diese planetare wie politische Herkulesaufgabe zu lösen. Tatsächlich betreibt die UN in der Klimafrage unausgesprochen „Weltinnenpolitik“, jedoch ohne Weltregierung. Ein zur Einstimmigkeit verpflichtetes Parlament entscheidet, in dem nur Egoisten (Staaten) sitzen. So lassen sich keine Sprünge machen, so lässt sich nur der kleinste gemeinsame Nenner finden – und so ruckelt der Rettungszug gegen die menschengemachte Erwärmung seit Jahren von Mini-Konsens zu Mini-Konsens, während an ihm die physikalische Wirklichkeit wie ein pfeilschneller ICE vorbeirauscht.

In Kattowitz hatte der Rettungszug sogar beste Chancen zu entgleisen. Das wurde nur verhindert, indem einige – von Russen, Amerikanern, Saudis und Brasilianern aufgetürmte – Felsen von der Fahrtstrecke aufs Wartegleis bugsiert wurden. Über sie soll erst im neuen Jahrzehnt weiterverhandelt werden, dabei müsste das Jahr 2020 den Treibhausgas-Gipfel markieren, wenn die globale Erwärmung abgebremst werden soll. Bereits 2019 wird sich zeigen, was der „soziale Druck“ ausgerichtet hat. Wenn der neue brasilianische Regierungschef, im Geiste ein Zwillingsbruder des Klimaschutz-Verächters Donald Trump, sein Wahlversprechen realisiert und den Regenwald, ein riesiges Kohlenstoff-Depot, für Agrarflächen freigibt und in die Luft sprengt, könnten alle Klimaschutz-Aktivitäten im Rest der Welt pulverisiert werden. Dann müssten die Rettungswilligen neu nachdenken. Vielleicht hilft dann nur noch Trumps Logik: nämlich Sanktionen. Kein Erdgas aus Russland importieren, keine Handys aus den USA, kein Öl aus Saudi-Arabien, kein Sojaschrot (für die Mastställe) aus Brasilien. Wäre das in Demokratien mehrheitsfähig? Noch navigieren diese nach dem maximalen Bruttosozialprodukt und versprechen ihren Wählern „schmerzfreien“ Klimaschutz. Aber wie reagieren die Wähler, wenn ihre Zivilisation immer spürbarer von Dürre oder Meeresspiegelanstieg malträtiert wird? Wenn Kartoffeln das Zehnfache kosten?

Es bleibt weiter spannend und gleichzeitig trostlos beim Klimaschutz. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen laufen aktuell auf eine Erderwärmung um 3,2 Grad Celsius hinaus, während schon – im Durchschnitt – zwei Grad mehr eine Welt bedeuten, die wir nicht mehr wiedererkennen werden. Dass unser Land, das seine Klimaziele verfehlt, im Konferenz-Sprech (noch) zur „Koalition der Ehrgeizigen“ gehört, spiegelt, wie wenig die Diplomaten die Physiker verstehen – oder nicht verstehen wollen. Klimaschutz dem Anschein nach, quasi zur Gesichtswahrung, honorieren die Naturgesetze nicht. Sie unterscheiden auch nicht, ob das Kohlendioxid aus deutschen Braunkohle-Kraftwerken, US-Geländewagen oder Regenwald-Flammen stammt.

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