Kommentar zur Zukunft der Arbeit Neue Herausforderung

Meinung | Bonn · Die Arbeitsmarktstatistik eilt derzeit von Rekord zu Rekord. Doch bei den Zahlen sind auch die Schattenseiten des Booms erkennbar, kommentiert Helge Matthiesen.

 Symbolfoto.

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Die Arbeitsmarktstatistik eilt von Rekord zu Rekord. So gut wie derzeit waren die Verhältnisse zuletzt gleich nach der Vereinigung Anfang der 1990er Jahre. Die Tendenz kennt seit einigen Jahren nur die Kurve aufwärts: Immer mehr Menschen haben Arbeit, immer mehr sind auch sozialversichert beschäftigt. Nordrhein-Westfalen und auch Bonn hinken dem Bundesschnitt ein wenig hinterher. Dennoch sind auch hier die Werte überwiegend positiv. Immer häufiger bleiben Jobs oder Lehrstellen unbesetzt, weil die Bewerber fehlen. Sieht so das Paradies für Arbeitnehmer aus?

Sicher nicht, denn auch die Schattenseiten des Booms sind erkennbar. Nicht jeder Job ist auskömmlich. Nicht alle Arbeitsverhältnisse sind fair. Die Zeiten eines Arbeitsmarktes, den die Tarifpartner klar strukturierten, ist vermutlich für immer vorbei. In den neuen Dienstleistungsbranchen hat sich noch kein fester rechtlicher Grund gebildet. Das liegt an der zunehmenden Digitalisierung. Das liegt aber auch an den Menschen selbst, die ihre Individualität schätzen und leben.

Entwicklungen des großen Strukturwandels

All das markiert Entwicklungen des großen Strukturwandels, der gerade erst begonnen hat und der die lange stabilen Verhältnisse weiter ins Wanken bringen wird. Es wäre falsch, die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit zu predigen. Auch der Fachkräftemangel ist nur ein Phänomen eines ganzen Bündels von Veränderungen, die absehbar sind. Niemand weiß genau, was kommen wird und es gibt Indizien, dass die Arbeit eher zunehmen dürfte.

Es wird allerdings nicht mehr die gleiche sein, die Millionen Arbeitnehmer heute ausüben. Wer heute gesuchte Fachkraft ist, kann schon morgen eine Umschulung benötigen, weil digitale Prozesse immer tiefer auch in qualifizierte Berufe vordringen. Die Gesellschaft steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Voraussetzungen, diese Veränderungen zu bewältigen, sind angesichts der guten Arbeitsmarktdaten vergleichsweise günstig.

Fit für die digitale Zukunft machen

Arbeitslosigkeit ist in den nächsten Jahren vielleicht gar nicht das Kernproblem der Gesellschaft, so wie sie es einige Jahrzehnte lang war. Im Mittelpunkt wird das Bemühen stehen, die Menschen für die digitale Zukunft fit zu machen, sie zu schulen und weiterzuentwickeln, damit die beiden Probleme Fachkräftemangel auf der einen und Arbeitsplatzabbau auf der anderen sich ausgleichen können. Mag sein, dass Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern diese Komponente bald so ausführlich berücksichtigen wie die Frage nach der Bezahlung.

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