EU-Sanktionen gegen Russland Moskau droht und Europa zögert

BRÜSSEL · Die härteren EU-Sanktionen gegen Russland sollen erst "in den nächsten Tagen" in Kraft treten. Putin bekommt derweil mehr Zeit zum Einlenken.

 EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

Foto: dpa

So richtig wohl war den EU-Regierungen nicht. Eigentlich sollten sie gestern bis 15 Uhr ihre Zustimmung zu den neuen Sanktionen gegen Russland eingereicht haben, die die Botschafter in der Nacht zum Samstag beschlossen hatten. Doch dann wurde die Frist sang- und klanglos um mehrere Stunden verlängert.

Am Abend teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy dann mit, dass das Paket von den nationalen Regierungen genehmigt worden sei, die Sanktionen aber erst "in den nächsten paar Tagen" in Kraft treten sollten. Die Atempause soll Russland Zeit geben zum Einlenken im Ukraine-Konflikt.

Noch immer sind nicht alle Details der geplanten Strafmaßnahmen bekannt, die eigentlich schon heute Morgen in Kraft treten sollten. Sicher ist wohl, dass die EU Russland vom Finanzmarkt abkoppeln will. Außerdem sollen die großen Öl- und Gas-Konzerne getroffen werden. Ausrüstung für die erdölproduzierende Industrie will Brüssel stoppen, militärisch wie zivil nutzbare Güter dürften, wenn der Beschluss zustande kommt, weder an Unternehmen noch an Privatpersonen geliefert werden.

Außerdem will man Moskau dadurch blamieren, dass man die Teilnahme von europäischen Vertretern an großen sportlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen absagt. Darüber hinaus enthält der Katalog offenbar Einreiseverbote für weitere 20 Personen, darunter ostukrainische Separatisten und Meinungsführer aus der russischen Politik sowie der Wirtschaft, deren Konten in Europa die EU sperren möchte.

Dass auch der Kreml den EU-Beschluss fürchtet, zeigte ein Auftritt des russischen Regierungschefs Dmitri Medwedew. Der deutete gestern Gegenmaßnahmen an. So erwägt Moskau offenbar, westlichen Fluggesellschaften die Überflugrechte über Russland zu entziehen. "Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum umfliegen müssten, könnte dies mehrere angeschlagene Fluglinien in den Bankrott treiben", sagte Medwedew: "Diesen Weg sollten wir nicht gehen."

Tatsächlich würde ein solcher Schritt die Airlines zu kostspieligen Umwegen auf der lukrativen Asien-Route zwingen. Allein Lufthansa, British Airways und Air France bezifferten gestern den möglichen Schaden auf eine Milliarde Euro pro Quartal. Allerdings würde sich Russland durch ein Überflugverbot auch selbst treffen. Denn bisher kassiert die staatliche Airline Aeroflot bis zu 55 Millionen Euro pro Monat von den Gesellschaften, die die Transsibirien-Route nutzen.

Bisher hatte sich Moskau mit Gegenmaßnahmen zurückgehalten. Der Importstopp für Lebensmittel aus der EU trifft eher die eigenen Bürger. Und der Boykott von US-Hühnerfleisch beeinträchtigt die westliche Agrarindustrie nicht sonderlich. Allerdings setzte der Kreml neue Akzente: Man belegte den amerikanischen Bourbon-Whiskey Barton 1912 Distillery mit einer Einfuhrsperre nach Russland. Angeblich aus Gründen des Verbraucherschutzes.

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