Paul Ryan Mitt Romney präsentiert radikalen Liberalen als Vize

NORFOLK · Auf der "USS Wisconsin", einem musealen Schlachtschiff der Navy, das in Norfolk/Virginia an der amerikanischen Ostküste vor Anker liegt, hat Mitt Romney am Wochenende seinen "Sozius" für das Rennen um das Weiße Haus präsentiert. Der republikanische Präsidentschafts-Kandidat (66) und sein Vize-Aspirant (42) Paul Ryan sind ein Duo, das sich versteht und auf der Bühne fast wie Vater und Sohn wirkt.

Paul Ryan, Rechtsanwaltssohn, geboren am 29. Januar 1970, stammt aus einem einflussreichen irischen Familien-Clan, der seit vielen Jahrzehnten in Janesville/Wisconsin den Ton mit angibt. Sein Ur-Großvater Patrick startete 1884 mit Eseln eine Firma, die Bahngleise verlegte. Heute ist Ryan Inc. eines der landesweit größten Erdbau-Unternehmen.

Die 64.000 Einwohner zählende Kleinstadt im Südosten des Bundesstaates ist seit 42 Jahren Heimat des studierten Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers, der mit 19 als Praktikant auf dem Capitol Hill anfing und im Alter von 28 Jahren zum ersten Mal in den Kongress in Washington gewählt wurde. Ryan, ein gläubiger Katholik, musste als 16-Jähriger einen Schicksalsschlag verkraften: er fand seinen Vater tot im Bett - Herzinfarkt. Ein Schlüsselerlebnis. Der Fitness-Fanatiker und passionierte Jäger ist mit der Steuer-Anwältin Janna Little verheiratet und hat drei Kinder: Liza, Charlie und Sam.

Leitsterne seines Denkens sind die Verfechter eines radikalen Wirtschafts-Liberalismus, wie ihn Friedrich Hayek und Milton Friedman propagierten. Ryans persönlicher Star ist Ayn Rand, deren Roman "Atlas Shrugged" (1957) bis heute zu den meistverkauften Büchern in Amerika zählt. Rand, eine russische Immigrantin, glorifizierte darin die Ideologie des Egoismus und sah den Staat als Wurzel allen Übels: "Die Verfolgung des rationalen Eigeninteresses und des eigenen Glücks ist der höchste moralische Zweck des Lebens."

Ryan ist Spezialist, kein Generalist. Als Vorsitzender des Haushalts-Ausschusses im Repräsentantenhaus gehört Ryan spätestens seit 2010 zu den ideologischen Taktgebern der Republikaner. Seine Programmatik, gegossen in etliche Budget-Entwürfe, wird von weiten Teilen der Partei als alternativlos verstanden. Obwohl Ryan ein Zahlen-Fetischist ist, der seine Argumente gern mit Hilfe von Powerpoint-Präsentationen entwickelt, kann er seine Vorstellungen allgemeinverständlich formulieren. Seine politisch Andersdenkende öffentlich nie herabsetzende Art hebt ihn in Washington aus der Menge der Brunnenvergifter heraus. Trotzdem: 54 Prozent der Amerikaner, so der Sender CNN, kennen Ryan (noch) nicht.

Auf Ryan geht der umstrittene Plan zurück, die staatliche Krankenversicherung (Medicare) für alle, die jünger als 55 Jahre sind, zu privatisieren. Versicherungsberechtigte sollen nur noch staatliche Zuschüsse erhalten und sich selber "auf dem Markt" eine private Krankenversicherung kaufen. Das staatliche Gesundheits-Programm für Arme (Medicaid) will Ryan auflösen. Den Bundesstaaten sollen Sockelbeträge zugewiesen werden, zur individuellen Verwendung. Anders als bei Obamas Gesundheitsreform würde die medizinische Versorgung in Amerika wieder zum Flickenteppich, inklusive Sozial-Risiko. Avisiertes Einsparvolumen für die Bundesebene allein hier: rund drei Billionen Dollar binnen zehn Jahren.

Hilfsprogramme wie Essensmarken für Arme, Stipendien für Studenten oder Familienplanung sollen ebenfalls gekappt werden, auf keinen Fall aber der Etat für das Militär. Außerdem will Ryan den Höchstsatz der Einkommen- und Unternehmensteuer von 35 auf 25 Prozent senken und Steuernachlässe für Reiche verlängern. Noch weitgehender sind Ryans Vorstellungen beim Umbau des staatlichen Renten-System "Social Security". Er will Zahlungen nach Bedürftigkeit ausrichten und nicht mehr nach eingezahlten Beiträgen während der Erwerbstätigkeit.

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