Handy-Affäre Mit Wut im Bauch zu Obama

Brüssel · EU-Gipfel: Die Europäer wollen mit Washington Benimmregeln für Geheimdienste aushandeln. Dieser Besuch dürfte ziemlich ungemütlich werden: Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel sollen mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama Konsequenzen aus den Lauschangriffen der US-Schnüffler aushandeln.

Nach fast siebenstündigen Beratungen verständigte sich der EU-Gipfel Freitagmorgen auf eine Erklärung, in der betont wird, dass "Partnerschaft auf Respekt und Vertrauen beruhen muss, auch was die Arbeit und die Zusammenarbeit der Geheimdienste anbetrifft".

Während die Bundeskanzlerin zu dieser nächtlichen Stunde schon wieder abgeklärt wirkte ("Transatlantische Freundschaft ist keine Einbahnstraße, auch die Amerikaner brauchen Freunde"), war die Wut des französischen Staatspräsidenten noch keineswegs verraucht. "Die erste Regel des guten Benehmens ist", dozierte François Hollande, "man überwacht nicht und kontrolliert nicht die Handys von Personen, die man bei internationalen Gipfeln trifft." Aber jetzt gehe es darum, "dass sich so etwas nicht wiederholt."

Was die Europäer wollen, ist ein Abkommen für die Geheimdienste nach dem Vorbild der "Five Eyes" (fünf Augen). Unter dieser Bezeichnung hatten sich die Verbündeten aus dem Zweiten Weltkrieg, USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada zusammengeschlossen und vereinbart, sich nicht gegenseitig auszuspionieren. "Deutschland und Frankreich übernehmen federführend die Gespräche", erklärte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann.

"Denn wenn in regelmäßigen Abständen Verdachtsmomente auftauchen, dann muss das alles ausgeräumt werden." Belgiens Premier Elio di Rupo, dessen größtes Telefonunternehmen Belgacom ebenfalls von der NSA geknackt wurde, ergänzte: "Das systematische Ausspähen ist nicht länger hinnehmbar." Inzwischen sitze das Misstrauen tief. Wie tief, machte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte deutlich. Er wisse nicht, "ob er abgehört werde", sagte er achselzuckend.

Derweil bemühte sich die Bundeskanzlerin bereits wieder, moderierend und ausgleichend zu wirken. "Das Vertrauen ist erschüttert", betonte sie. Aber das werde man "nun wieder aufbauen". Im Übrigen habe sie ihr Telefonverhalten nicht geändert: "Es gibt in meinen Gesprächen eine konsistente Logik. Deshalb glaube ich, dass jeder, der mit mir redet, im Grundsatz immer das Gleiche hört." Für alle staatspolitisch relevante Kommunikation gebe es "Festnetzleitungen, Kryptoleitungen und, wenn man nicht am Ort ist, auch Krypto-Handys".

Damit war das Thema aber dann auch schon wieder abgehakt. Weitergehende politische Konsequenzen wird es wohl nicht geben. Die Forderung nach einem zeitweisen Aussetzen der Verhandlungen über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum wurde in der Gipfel-Runde "nicht erhoben", bekräftigte Ratspräsident Herman Van Rompuy. Und auch den Beschluss des Europäischen Parlamentes, das Abkommen über den Austausch von Bankdaten (Swift) auf Eis zu legen, schloss man sich nicht an.

Stattdessen setzt die EU auf ihre eigene neue Richtlinie zum Datenschutz, die Justizkommissarin Viviane Reding schon als "Europas Unabhängigkeitserklärung" gepriesen hatte. Doch anders als geplant, soll das Gesetzeswerk nicht bis zur Europawahl im Mai 2014 unter Dach und Fach sein, sondern erst Anfang 2015. "Wir geben uns mehr Spielraum", erklärte Van Rompuy. Denn schließlich sei die Wirtschaft massiv betroffen.

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