Kommentar zur Pflege Mit ganzer Kraft

Meinung · Die erste Antwort der Konzertierten Aktion zur Pflege ist nicht zu unterschätzen. Immerhin sind nicht nur unverbindliche Absichten zu Protokoll gegeben, sondern auch ganz konkrete Vorgaben abgegeben worden, meint GA-Redakteur Gregor Mayntz.

Umweltaktivisten haben es geschafft, das Thema Klimaschutz ganz nach oben auf die Agenda zu bringen und ihren Beitrag dazu geleistet, dass Union und SPD bei den Europawahlen regelrecht abgestürzt sind. Aber ist die Klimapolitik das einzige Feld, bei dem die Bundespolitik in Misskredit geraten ist?

Im Bundestagswahlkampf brachte ein junger Pflegeschüler die Kanzlerin mit bohrenden Fragen in Verlegenheit. Deshalb ist die jetzt gefundene erste Antwort der Konzertierten Aktion zur Pflege nicht zu unterschätzen. Immerhin sind nicht nur unverbindliche Absichten zu Protokoll gegeben, sondern auch ganz konkrete Vorgaben abgegeben worden: Nächstes Jahr soll das Umfeld stehen, damit auf breiter Front die Löhne spätestens 2021 steigen, und zwar mindestens auf 2500 Euro. Zehn Prozent mehr Ausbildung. Zügige Erleichterung beim Anwerben ausländischer Fachkräfte.

Deshalb spricht es für sich, wenn sich Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU bei der Vorstellung der Pläne demonstrativ zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey von der SPD setzt und dabei beschwört, dass es sich schon allein wegen der Vorhaben in der Pflege lohne, noch zwei Jahre in der schwarz-roten Koalition zusammen zu arbeiten.

Was da zu leisten ist, braucht breiten Rückhalt über hauchdünne Mehrheiten kleiner Koalitionen hinaus. Bereits die ersten Reaktionen der Verbände zeugen von erheblichem Widerstand. Mancher Arbeitgeber mag damit spekulieren, dass die Politik schon derart unter Druck zu geraten scheint, dass sie weniger seinen Gewinn schmälert, als vielmehr den Bundeshaushalt bereitwillig anzapft. Hier geht es um Milliarden, und folglich erreicht das Powerplay in der Pflegebranche nun die Härte, die seit Jahrzehnten im Gesundheitsbereich herrscht.

Die Folge ist, dass es mal vor und mal zurück und insgesamt zumeist nur Millimeter voran geht. Deshalb tut die Koalition gut daran, gerade am Thema Pflege ihre Handlungsfähigkeit zu zeigen. Wer wie ein Kaninchen auf die Schlange auf ein bevorstehendes Ende der Koalition blickt, sollte sich immer vor Augen halten, dass er damit bei der Gestaltung der wichtigsten Zukunftsaufgaben versag. Wenn zehntausende Pflegekräfte schon jetzt fehlen und es wegen der immer älter werdenden Gesellschaft Jahr für Jahr mehr werden, dann ist schnell klar, dass die Mehrheitsfähigkeit jeder Volkspartei in besonderem Maße davon abhängt, ob sie sich auch mit ganzer Kraft dafür einsetzt, die prekären Zustände aus der Welt zu schaffen.

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