Interview Ministerpräsident Laschet lobt schwarz-gelbe Landesregierung

Düsseldorf · Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet spricht im Interview über die Schleierfahndung, die Fußfessel, das Sozialticket und den Landeshaushalt.

 Selbst wenn es nicht in jedem einzelnen Kriminalitätsfeld bereits belastbare Zahlen gebe, würden bereits erste Erfolge sichtbar, sagt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

Selbst wenn es nicht in jedem einzelnen Kriminalitätsfeld bereits belastbare Zahlen gebe, würden bereits erste Erfolge sichtbar, sagt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

Foto: picture alliance / Rolf Vennenbe

Die geplante Abschaffung des Sozialtickets lässt Armin Laschet (CDU) als einen der wenigen Kritikpunkte an der neuen schwarz-gelben Landesregierung gelten – und der sei schnell korrigiert worden. Erfolge sieht er bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Haushaltspolitik. Mit dem NRW-Ministerpräsidenten sprachen Michael Bröcker und Thomas Reisener.

Wo feiern Sie Silvester?

Armin Laschet: Am Meer, in Veere, einem kleinen Ort auf Walcheren an der niederländischen Nordsee. Mit meiner Frau feiere ich Silvester, ohne Böller und mit viel Ruhe.

Gleichzeitig schickt der Innenminister mit 5700 Polizisten doppelt so viele Beamte wie an normalen Samstagen auf die Straße. Ist das übertrieben?

Laschet: Nein. Dass man sich da vorbereitet, ist zwingend, erst recht nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht 2015/16. Es muss alles getan werden, damit sich das nicht wiederholt.

Ist NRW nach dem Regierungswechsel schon sicherer geworden?

Laschet: Selbst wenn es nicht in jedem einzelnen Kriminalitätsfeld bereits belastbare Zahlen gibt, werden in der Tat erste Erfolge sichtbar. Die Sicherheitsbehörden gehen etwa für 2017 mit einem deutlichen Rückgang der Wohnungseinbrüche um 25 Prozent aus – das ist eine starke Leistung und spornt auch die Beamtinnen und Beamten weiter an. Es gibt zudem eine spürbar andere Haltung der Führungskräfte bei den Sicherheitsbehörden, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr geduldet werden. Exemplarisch für den Erfolg dieser Konsequenz wurde das deutlich bei der Kurdendemonstration im November in Düsseldorf, auf der verbotene PKK-Symbole gezeigt wurden. Diesmal hat die Polizei harte, gerichtsfeste Auflagen erteilt und die Versammlung nach wiederholten Verstößen aufgelöst. Das Vorgehen hat auch bundesweit Beachtung gefunden.

Birgt Ihre Null-Toleranz-Strategie die Gefahr, dass die Polizei übertreibt?

Laschet: Nein. Wenn ich etwa feststelle, dass bei den Landfriedensbrüchen rund um den Braunkohletagebau kaum Identitäten der Täter festgestellt werden, sehe ich eher noch Nachholbedarf. Null Toleranz heißt vor allem Konsequenz bei Rechtsbruch. Das ist ein rationales Vorgehen – und beste Prävention.

Befürchten Sie im Hambacher Forst eine Eskalation wie beim G-20-Gipfel in Hamburg?

Laschet: Wenn ich höre, dass man sich mit bestimmten Aktivisten nur englisch verständigen kann, deutet das zumindest darauf hin, dass da nicht nur Anwohner dabei sind, die sich um den benachbarten Wald sorgen. Der Hambacher Forst ist auch ein Ziel für reisende Chaoten geworden. Demonstrationsrecht ja, aber wir werden keinesfalls dulden, dass Arbeiter oder Sicherheitskräfte angegriffen werden. Wir gehen mit Fingerspitzengefühl vor, aber wenn es zu Übergriffen kommt, werden wir wieder konsequent auftreten. Ich bin den Sicherheitskräften dankbar für ihren Einsatz.

Sie wollen auch die Gesetze verschärfen. Wann kommt die Schleierfahndung in NRW?

Laschet: Wir haben uns als Koalition die Einführung einer so genanten strategischen Fahndung vorgenommen. Ich bin überzeugt, dass dies ein Instrument ist, dass bei umfassender Wahrung der Bürgerrechte die vielen positive Effekte der so genannten Schleierfahndung bei der Verbrechensbekämpfung aufnimmt.

… das sieht die FDP anders …

Laschet: Tatsächlich? Schauen wir uns an, was gemeint ist: Die so genannte Schleierfahndung ermöglicht der Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen. Das ist in fast allen Bundesländern erlaubt, nur in Nordrhein-Westfalen hat sich die rot-grüne Vorgängerregierung dagegen gewehrt. Künftig wird die Polizei Kontrollen von Personen und Fahrzeugen ohne konkreten Verdacht durchführen können. Das nennen manche „Schleierfahndung“. Strategische Fahndung ergänzt dies um den wichtigen Rechtsstaats-Aspekt. Es muss ein Anlass vorliegen, also eine bestimmte Lage.

Ein Anlass ist ja schnell gefunden. Es gibt gerade viele Einbrüche, das ist ja schon ein Anlass …

Laschet: Die Einschätzung dazu treffen die jeweiligen Sicherheitsbehörden aufgrund ihrer fachlichen Expertise.

Wann kommt die Elektronische Fußfessel für Gefährder?

Laschet: Wir werden die elektronische Fußfessel für terroristische Gefährder im Sinne des BKA-Gesetzes im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz verankern, und zwar rechtskonform. Innenminister Herbert Reul arbeitet mit Hochdruck an umfassenden Verbesserungen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Es ist vorgesehen, dass wir die Details zum Plan für die Fußfessel schon im neuen Jahr vorlegen.

Wann kommt denn endlich die im Wahlkampf angekündigte Sicherheitskommission?

Laschet: Sie ist bereits da. Die Tatsache, dass auch die Opposition ständig danach gefragt hat, wann es denn endlich losgehe – das zeigt ja, dass auch die Opposition den Bedarf für eine umfassende Analyse der Sicherheitsarchitektur in Nordrhein-Westfalen sieht. Den Eindruck hatte man bis zum Wahltag nicht.

Bleibt es denn jetzt bei den vorgestellten Mitgliedern der Bosbach-Kommission?

Laschet: Ich habe im Wahlkampf gesagt, dass es eine Kommission unter Führung von Wolfgang Bosbach geben wird, weil er der richtige ist für diese Aufgabe. Und genau diese gibt es jetzt auch. Wenn es der Arbeit der Kommission dient, kann es von mir aus auch Veränderungen geben. Sie wird auch Rat suchen. Parteiübergreifende Expertise ist unerlässlich, weil alleine der Erfolg zählt – gerade bei dem Thema Sicherheit.

Wurde der Liberale Gerhart Baum gegen Ihren Willen nominiert?

Laschet: Herr Baum ist nicht Mitglied der Kommission.

Nicht mehr …

Laschet: Gerhart Baum hat persönliche Gründe dafür angegeben, das er selbst nicht Mitglied werden werden wollte. Das akzeptiere ich. Ich bin Herrn Baum, der auch sonst viel für Nordrhein-Westfalen leistet, sehr dankbar, dass er sich in den letzten Monaten auch bei diesem Thema eingebracht hat: Mit seiner Unterstützung, mit der Unterstützung der FDP, sind hervorragende Vertreter dabei.

Herr Laschet, das ist doch Unsinn. FDP-Chef Lindner hat gesagt, Baum wird Mitglied. Baum selbst hat gesagt, die Kommission heißt jetzt Bosbach-Baum-Kommission …

Laschet: Noch einmal: Wir haben eine hervorragende Aufstellung, die dem Willen der Koalition entspricht und breite Zustimmung erfährt.

Die Komplikationen bei der Kommissionsbesetzung sind ja nicht Ihr einziger Widerspruch zwischen Ankündigung und Handeln. Minister Holthoff-Pförtner musste die Zuständigkeit für Medien ja auch schnell wieder abgeben …

Laschet: Moment mal. Jetzt mal eins nach dem anderen. Ich habe im Wahlkampf eine Kommission unter der Führung von Wolfgang Bosbach angekündigt. Das wird eingelöst. Ankündigung und Handeln sind 1:1 deckungsgleich.

Warum haben Sie die Abschaffung des Sozialtickets angekündigt und dann doch wieder zurückgezogen?

Laschet: Das war in der Tat eine der wenigen inhaltlichen Kritikpunkte, hatte sich aber nach einer Woche wieder gelegt, da wir sofort gehandelt haben. Wir bekommen viel Zuspruch für unsere seriöse Haushaltspolitik, aber die Kritik gegen die Reduzierung des Zuschusses an die Verkehrsverbünde für diese konkrete Maßnahme war berechtigt. Zu meinem Verständnis von Politik gehört es, Fehler zu korrigieren. Das nenne ich verantwortungsvoll.

Dann müssen wir also auch in Zukunft mit der Rücknahme von Regierungsentscheidungen rechnen?

Laschet: Wenn sie richtig sind, werden sie umgesetzt. Aber Sie können auch in Zukunft damit rechnen, dass ich als Ministerpräsident kluge Gegenargumente anhöre und diese auch aufnehme. Da muss man dann auch bereit sein können zu sagen: Wir korrigieren das.

Wann fangen Sie an zu sparen?

Laschet: Wir sind schon dabei. Als erste Landesregierung seit 44 Jahren planen wir einen Haushalt ohne neue Schulden, und zwar von Beginn an. Und nicht nur das: Wir wollen über die gesamte Legislaturperiode ohne neue Schulden auskommen. Das ist ein kompletter Paradigmenwechsel in der nordrhein-westfälischen Landespolitik – zu Gunsten von nachfolgenden Generationen.

Wenn Ihr Ziel der Bürokratieabbau ist, warum haben Sie dann 421 zusätzliche Stellen in den Ministerien geschaffen?

Laschet: Das sind nicht 421…

… 139 Stellen im Nachtragshaushalt 2017 und im Haushalt 2018 nochmal 282 …

Laschet: Ja, aber die haben spezielle, unverzichtbare Aufgaben, um zwingende Verbesserungen einzuleiten, etwa bei der Inneren Sicherheit.

Aber es sind zusätzliche Stellen …

Laschet: Mal langsam. Wenn wir etwa beim Verfassungsschutz oder für die Kriminalitätsbekämpfung über 100 Leute im Bereich des Innenministeriums einstellen, ist das nicht Bürokratie, sondern Innere Sicherheit. Da werden wir sogar noch mehr brauchen. Das war unser Wahlversprechen, Nordrhein-Westfalen sicher zu machen.

Wo wird es am Ende Ihrer Amtszeit weniger Beamte geben als vorher?

Laschet: Wir haben gesagt, Konzentration auf die Kernaufgaben, also schnelle Genehmigungen, Polizei und Schule. Um hier verstärken zu können, muss alles andere muss überprüft werden, Ministerien und Landesbehörden. Wo unnötige Bürokratie aufgebaut wurde, müssen Stellen abgebaut werden. Die Kosten für die Stellen, die wir für die Regierungsneubildung einrichten mussten, werden wir über die Legislatur wieder einsparen. Eine solche Selbstverpflichtung gab es bisher bei keiner neuen Landesregierung.

2018 wollen Sie allen Sparankündigungen zum Trotz 527 Millionen Euro mehr ausgeben …

Laschet: … Nochmal: Ja, dort wo Ausgaben für Verbesserungen bei Bildung und Innerer Sicherheit notwendig sind, wird es sie geben. Finanzminister Lienenkämper macht aber Schluss mit der Neuverschuldung des Staates. Damit haben wir sofort begonnen, und das erwarte ich übrigens auch von der künftigen Bundesregierung.

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