EU-Parlament Mehr Rechte für die 754 Abgeordneten

BRÜSSEL · 754 Abgeordnete für rund 500 Millionen Menschen - das EU-Parlament ist die einzige europäische Institution, über deren Zusammensetzung die Bürger direkt entscheiden können. Geht es nach Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und seinen Amtskollegen aus zehn weiteren EU-Staaten, sollen die Abgeordneten stärker die Interessen der Bürger vertreten als bisher.

Nicht nur die Minister machen sich angesichts der Schuldenkrise Gedanken, wie Europa besser funktionieren könnte. Auch in der EU-Kommission wird darüber gebrütet. Deutschland und die restlichen 26 EU-Staaten beauftragten Ende Juni europäische Spitzenkräfte, einen Fahrplan für Europas Zukunft auszuarbeiten.

Sie alle dürften mit Westerwelle & Co. übereinstimmen, dass die EU an einer "entscheidenden Wegmarke" angelangt ist. "Die andauernde Staatsschuldenkrise und der sich immer weiter verstärkende Prozess der Globalisierung stellen eine doppelte Herausforderung für Europa dar", erklären die Minister. "Wir müssen ihr gerecht werden, wenn wir eine gute Zukunft für unseren Kontinent wollen."

Das sind große Worte. Auf zwölf Seiten legen Westerwelle und seine Kollegen dar, wohin sich Europa entwickeln muss. Eine wichtige Rolle soll dem EU-Parlament zukommen. Die Abgeordneten müssten mehr Mitenscheidungs- und Mitsprache-Rechte erhalten, lauten - verkürzt - die Forderungen der Außenminister. Das hatte kürzlich bereits EU-Kommissionschef José Manuel Barroso gefordert.

Doch welcher Bürger kennt schon seine Vertreter auf EU-Ebene? Die EU-Parlamentarier sind in Deutschland längst nicht so bekannt wie die Abgeordneten des Bundestags. Das wissen auch Westerwelle und die anderen Außenminister. Ihr Vorschlag: Jede Fraktion im EU-Parlament sollte einen europäischen Spitzenkandidaten für die nächsten Parlamentswahlen 2014 aufstellen.

Aus dem EU-Parlament kommt Zustimmung. "Menschen brauchen ein Gesicht", sagt Elmar Brok (CDU). Schließlich habe das Parlament seit der jüngsten Reform des EU-Vertrags Ende 2009 mehr Mitsprache- und Mitentscheidungs-Rechte auf europäischer Ebene. "Das ist aber noch nicht im Bewusstsein der Menschen verankert."

Brok, der seit 1980 im europäischen Parlament sitzt, beschäftigt sich seit langem damit, wie EU-Institutionen arbeiten. Mit drei weiteren EU-Parlamentariern ist er zudem an den Verhandlungen der Staaten, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank beteiligt, wie Europa enger zusammenrücken könnte. Erste Vorschläge erhalten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die anderen Regierungschefs im Oktober.

"Wir wollen nicht mehr Zuständigkeiten auf europäischer Ebene haben", sagt Brok. Aber EU-Parlament und EU-Kommission müssten stärker in den Bereichen werden, in denen sie bereits Entscheidungen träfen. Der Fokus müsse auf den Bereichen liegen, wo Europa einen "Mehrwert" erzeuge.

Für Brok sind das der Umweltschutz - "Dreckige Luft macht ja nicht an Grenzen halt" - , oder die Außenpolitik. Er nennt auch Europas Binnenmarkt - Stichwort: EU-Preisobergrenzen für Handygespräche im Ausland.

"Eine Konzentration auf den europäischen Mehrwert täte gut", sagt auch die EU-Abgeordnete Alexandra Thein (FDP). "Wir unterhalten uns oft auch über Sachen, die auf nationaler Ebene geregelt werden könnten."

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