Massaker an 24 Zivilisten im Irak bleibt ungesühnt

WASHINGTON · Sechs Jahre nach dem von US-Soldaten verübten Massaker an 24 irakischen Männern, Frauen und Kindern in der Stadt Haditha endete gestern das Militärgerichtsverfahren gegen den Hauptangeklagten mit dem denkbar glimpflichsten Urteil.

 Mildes Urteil: Staff Sargeant Frank Wuterich.

Mildes Urteil: Staff Sargeant Frank Wuterich.

Foto: dpa

Weil US-Marines-Feldwebel Frank Wuterich vorher eine Verletzung der Dienstpflichten eingestanden hat, hatten sich Anklage und Verteidigung in Camp Pendleton bei San Diego zunächst darauf verständigt, den 31-Jährigen mit drei Monaten Gefängnis davon kommen zu lassen. Am späten Dienstagabend wurde auch diese Mini-Strafe ausgesetzt. Lediglich im Dienstgrad soll Wuterich nun herabgestuft werden. Begründung: Er sei alleinerziehender Vater. Irakische Stellen sprachen von einer "Verhöhnung der Opfer und einer Pervertierung des Rechts".

Frank Wuterich, ein Elitesoldat, führte am Morgen des 19. November 2005 in Haditha 200 Kilometer vor Bagdad eine Patrouille an. Nachdem eine am Straßenrand versteckte Bombe ein Fahrzeug aus dem Konvoi zerstört hatte und dabei sein Kamerad Miguel Terrazas gestorben war, gab der Vater dreier Kinder grünes Licht für eine beispiellose Vergeltungsaktion. Iraker, die sich im nahen Umfeld der Explosion aufgehalten hatten, auf der Straße oder in ihren Häusern, wurden ausnahmslos für feindliche Kämpfer gehalten - und getötet. Wuterich selbst gab die Parole "erst schießen, dann fragen" aus. Bei dem Massaker kamen 24 Zivilisten, darunter elf Frauen und Kinder zwischen drei und 15 Jahren sowie ein 76 Jahre alter Greis im Rollstuhl, ums Leben.

Wer Einblick in den 3500 Seiten starken Untersuchungsbericht des Militärs nehmen konnte, dem dreht sich noch heute der Magen um. Die meisten Opfer wurden aus nächster Nähe hingerichtet wie Tiere.

Versuche, Zivilisten von Aufständischen zu unterscheiden, unterblieben vollständig. Amerikanische Medien erhoben früh den Vergleich zu dem Massaker von My Lai im Vietnam-Krieg, als 1968 US-Truppen 500 Menschen erschossen und erschlagen hatten. Wie in Vietnam, so versuchten Wuterich und andere Soldaten den Vorfall zu vertuschen.

Ein von irakischen Menschenrechtsorganisationen dem Magazin "Time" zugespieltes Video, zufällig aufgenommen von einer US-Aufklärungsdrohne, und die Aussagen eines neun Jahre alten Mädchens, das überlebt hatte, brachten 2006 die Untersuchung erst ins Rollen und die Wahrheit ans Licht. Militärstaatsanwälte klagten nach etlichen Ermittlungspannen Wuterich und sieben andere beteiligte Soldaten der fahrlässigen Tötung an.

Ergebnis: ein Freispruch. In allen anderen Fällen wurden die Vorwürfe fallen gelassen, nach Vereinbarungen zwischen Anklage und Verteidigung. Im Fall Wuterich verständigten sich beide Seiten zunächst darauf, den Angeklagten mit maximal drei Monaten Freiheitsstrafe zu belegen. Am Dienstagabend wurde entschieden, dass Wuterich die Strafe nicht absitzen muss. Er wird stattdessen auf den Dienstgrad eines Gefreiten degradiert; ohne Gehaltseinbußen, weil er seine drei Kinder allein erzieht.

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