Nach der Wahl in Rheinland-Pfalz Malu Dreyer will das Dreier-Bündnis

Mainz · Die rheinland-pfälzische SPD umwirbt die FDP. Deren Landesvorsitzender Volker Wissing sendet unterschiedliche Signale. Die CDU meint: Eine stabile Mehrheit gibt es nur mit uns.

 Der FDP-Landesvorsitzende im Fokus: Volker Wissing am Sonntagabend in einem Wahlstudio zwischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihrer Spiegelung.

Der FDP-Landesvorsitzende im Fokus: Volker Wissing am Sonntagabend in einem Wahlstudio zwischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihrer Spiegelung.

Foto: dpa

Volker Wissing hat die Schlüsselrolle, wenn es um die Bildung einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und der FDP in Rheinland-Pfalz geht. Der liberale Landesvorsitzende weiß das, möchte sich am späten Sonntagabend aber noch nicht festlegen. Deshalb sendet er in kleiner Runde verschiedene Signale.

Zum einen erzählt der Südpfälzer, er wisse noch nicht, ob er seine Rechtsanwaltskanzlei in andere Hände geben wolle. Würde er Minister, müsse er das tun. Zum anderen berichtet er von Hintergrundtreffen mit der SPD. Parteichef Christian Lindner hatte Wissing ausgewählt, um den sozialliberalen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Und so sprach Wissing vom „lieben Hubertus“ (Ex-Generalsekretär Heil) und anderen Genossen, mit denen er sich duze und mit denen man auslote, wo Gemeinsamkeiten bestünden.

Und dann ist da noch ein Punkt, der ihm wichtig ist: Vor der Wahl hatte er immer wieder davon gesprochen, dass die FDP kein Anhängsel der bisherigen rot-grünen Koalition sein wolle. Wissing weist gern darauf hin, dass die künftige FDP-Fraktion (sieben Sitze) größer sei als die der Grünen (sechs). Soll heißen: Ein Anhängsel wäre die FDP dann nicht.

Für Ministerpräsidentin Malu Dreyer wäre ein Bündnis aus ihrer SPD, den Grünen und den Liberalen die erste Wahl. „Wenn nicht Frau Dreyer, wem soll es dann gelingen, ein Dreier-Bündnis zu schmieden?“, fragte sie gestern scherzhaft in Berlin. Sie wolle nun Gespräche mit den Grünen und der FDP aufnehmen, kündigte sie an. Am späten Sonntagabend war die Regierungschefin noch bei der Grünen-Wahlparty aufgeschlagen, hatte viele Menschen umarmt und bei ihrer kurzen Ansprache die Hand ihrer Stellvertreterin Eveline Lemke gehalten.

„Wir haben euch die Daumen gedrückt, dass ihr reinkommt, jetzt sind wir total erleichtert“, rief Dreyer den Grünen zu, die gerade das vorläufige Endergebnis von 5,3 Prozent vernommen hatten, „wir haben fünf Jahre gut regiert, ich hoffe, dass wir es hinkriegen, mit euch jetzt auch weiterzuregieren.“ Und wie stehen die Chancen dafür? Einer, der die grünen Minister gut kennt, sagte: „Man wird sich einigen können. Auf beiden Seiten sind doch Realpolitiker am Werk.“

Bisher hatten Grüne und FDP kaum eine Gesprächsbasis, auch thematisch lagen sie oft weit auseinander. Zum Beispiel bei der Infrastruktur: Die FDP will mehr Straßen und Brücken und – wie die SPD – den Bau der Mittelrheinbrücke, die die Grünen aber ablehnen. In der Energiepolitik wendet sich die FDP gegen einen ungesteuerten Ausbau der Windenergie, die Grünen machen sich für mehr Windräder stark. Kritisch mit der SPD könnte es bei den Finanzen werden: Die Liberalen werfen ihr unsolide Haushaltspolitik vor. Einig sind sich alle drei Parteien bei der Bildung: keine Kita-Gebühren, keine Studiengebühren, kostenfreie Meisterausbildung.

In der CDU hegt man Zweifel, ob eine Ampel-Koalition, die mit 52 von 101 Abgeordneten nur eine Stimme mehr als notwendig hätte, ausreichend stabil wäre. „Wenn Dreyer eine stabile Mehrheit haben will, dann muss sie mit uns Gespräche führen“, sagte einer aus der CDU-Führungsspitze. Doch solange Dreyer so offensiv Rot-Gelb-Grün vertritt, wird die CDU kaum zum Zuge kommen können.

Die Partei hat ohnehin derzeit mehr mit sich selbst zu tun. Als es am Wahlabend auf Mitternacht zuging, standen immer noch viele CDU-Anhänger im Foyer des Kurfürstlichen Schlosses zusammen und konnten das Ergebnis – mit 31,8 Prozent das schlechteste in der Landesgeschichte – nicht fassen. War Julia Klöckners Flüchtlings-Plan A2 mit Grenzzentren und Tageskontingenten ein Fehler? „Nein“, sagte ein Fraktionsmitglied, „in einer Zeit, als es viele Austritte gab und die Umfrageergebnisse zurückgingen, mussten wir was machen.“ Aus manchen Äußerungen klang fast heraus, dass man die Wähler für undankbar halte. Die CDU habe erfolgreiche Oppositionspolitik gemacht.

In der Tat: Erst vor 16 Monaten wechselte Dreyer ihr halbes Kabinett aus, weil die CDU die Skandale aus der Ära Beck immer wieder zum Thema gemacht hatte und die SPD in den Umfragen abgeschlagen war. Auch in der Flüchtlingspolitik hatte die CDU schon vor einem Jahr die ersten Gipfel für die Kommunen organisiert. Doch wie sagte Fraktionsvize Christian Baldauf an diesem denkwürdigen Abend? „Wenn das 2:1 für den Gegner in der 90. Minute fällt, dann hilft es nicht mehr, wenn man lange geführt hat.“ Die Top-Personalfrage räumte Klöckner gestern Abend noch selbst ab: Sie werde bei der Landes-CDU an Bord bleiben, „und zwar als Kapitän“, kündigte sie an.

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