Kommentar zur großen Koalition Machtkampf

Meinung · Berlin. Der Wirbel um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ist der Anfang einer großen Krise in der großen Koalition, so Gregor Mayntz.

 Horst Seehofer (l, CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, und Hans-Georg Maaßen (r), Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Foto: dpa

Horst Seehofer (l, CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, und Hans-Georg Maaßen (r), Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Foto: dpa

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In normalen Zeiten wäre das Festhalten des Innenministers an seinem Verfassungsschutzchef das Ende einer kurzen Debatte. Jetzt hat es sich zum Anfang einer großen Krise entwickelt. Hans-Georg Maaßen fehlte jedes Fingerspitzengefühl, als er nüchtern-analytisch 19 Video-Sekunden aus Chemnitz die Beweiskraft für Hetzjagden absprach und dann „vergaß“, die vielen anderen Belege für eskalierenden Rechtsextremismus zu erwähnen.

Schon von dieser inhaltlichen Seite her betrachtet ist die Angelegenheit kaum mit einer Sondersitzung des Innenausschusses und einem Bekenntnis des Innenministers zum Chef des Inland-Nachrichtendienstes zu erledigen. Zumal fast täglich neue Hinweise auf Kontakte Maaßens mit der AfD das schräge Bild in noch größere Schieflage zu bringen scheinen.

Hinzu kommt die aktuelle Machtkonstellation innerhalb der Koalition und innerhalb der Union. In Bayern wird die SPD in den Umfragen von Platz zwei auf Platz fünf durchgereicht. Das ruft die innerparteilichen Gegner der großen Koalition im Bund wieder auf den Plan. Prompt machen sie „Maaßen“ zum neuen Lackmustest für die Durchsetzungsfähigkeit der SPD in diesem ungeliebten Bündnis.

Das könnte eine einige Union noch einigermaßen handhaben. Doch zwischen CDU und CSU gibt es nur einen brüchigen Burgfrieden. Zusätzlich brisant wird die Angelegenheit, weil sich ausgerechnet der Innenminister und CSU-Parteichef Horst Seehofer und die Kanzlerin und CDU-Parteichefin Angela Merkel in der Wortwahl „Hetzjagd“ von Anfang an gegeneinander positionierten.

So wird der Umgang mit Maaßen auch zum Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer. Diese belauern sich mehr, als dass sie sich vertrauen. Das ist angesichts der ebenfalls abstürzenden Werte für die CSU vor der Bayernwahl in einem Monat nicht zu unterschätzen. An Maaßen entscheidet sich nicht automatisch das Schicksal der Koalition.

Sie kann mit oder ohne ihn bestehen oder zerreißen. Aber wer einen Vorwand sucht, um ein Bündnis zum Platzen zu bringen, der hat mit Maaßen einen gefunden. Neue Hinweise auf AfD-Kontakte Maaßens brachten bei der SPD das Fass sofort zum Überlaufen, und zwar ohne abzuwarten, was Maaßen dazu selbst zu sagen hatte, etwa, dass es sich um Informationen handelte, die er jedem anderen Abgeordneten auch gegeben hätte.

Dass es die drei Parteichefs in anderthalbstündiger Krisensitzung im Kanzleramt nicht schafften, dieses Problem aus der Welt zu schaffen und sich auf Dienstag vertagten, macht deutlich, wie festgefahren diese Koalition ist, wie leicht sich Probleme zu Konflikten und diese zu Krisen entwickeln können. Das ist eine schlechte Nachricht für das Zusammenstehen der Parteien der Mitte gegen die Herausforderungen von den Rändern. Eine deutliche Atempause gäbe es durch Maaßens Rücktritt. Das hat er als Hüter der Stabilität nun mit zu bewerten.

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