Rauchzeichen für Moskau Maas will Russland im Europarat halten

BERLIN · Der Europarat lockert erstmals Sanktionen im Streit über den Verbleib Russlands. Er wurde 1949 als eine Art „Gewissen Europas“ für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ausgerufen.

Gleich fliegt Heiko Maas nach Helsinki. Der Europarat tagt, ein Treffen mit dem finnischen Präsidenten steht an. Doch vor dem Abflug am sehr frühen Morgen setzt der deutsche Außenminister noch ein Statement ab, verbunden mit einer Hoffnung: „Russland gehört in den Europarat – mit allen Rechten und Pflichten, die dazu gehören. Ich hoffe, dass wir beim Ministertreffen hier einen entscheidenden Schritt vorankommen.“ Eine vollständige Rückkehr Russlands wäre tatsächlich im europäischen wie im deutschen Interesse – eine Woche vor der Europawahl. Der Europarat, 1949 unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges als eine Art „Gewissen Europas“ für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ausgerufen, feiert in diesem Jahr seine Gründung vor 70 Jahren.

Maas nennt den Europarat „eine Bastion des internationalen Rechts“. Eine Menschenrechtskonvention, die von Wladiwostok bis Lissabon gelte, sei eine „einmalige Errungenschaft“. Mehr als 830 Millionen Menschen könnten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Schutz und Recht einfordern – „oft als letzte Hoffnung“. Russland verweigert seit fast zwei Jahren seine Beitragszahlungen – eine Reaktion auf Sanktionen gegen Moskau wegen der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion im April 2014. Unter anderem wurde den 18 russischen Vertretern in der Parlamentarier-Versammlung das Stimmrecht entzogen. Eine Rückkehr der russischen Delegation mit vollem Stimmrecht wäre ein deutliches Zugehen auf Moskau. Es wäre das erste Mal, dass eine Sanktion gegen Russland wegen der Krim-Annexion rückgängig gemacht würde.

Haushalt leidet unterfinanzieller Schwindsucht

Maas dringt wegen der seit zwei Jahren ausstehenden Beiträge Russlands darauf, dass der Europarat „auch in Zukunft effektiv“ arbeiten könne. Seit Jahren sei auch die russische Delegation in der Parlamentarischen Versammlung nicht mehr dabei. Er will Russland im Europarat halten. „Dieser Zustand ist nicht in unserem Interesse.“

Bei der Debatte im Bundestag über „70 Jahre Europarat“ am Freitag in Berlin, betont der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe: „Russland ist ein Problem, ja, aber es ist eher ein Synonym für ein gemeinsames Problem.“ Der Europarat leide unter „finanzieller Schwindsucht“. Der Haushalt der Organisation sei in etwa so groß wie der Haushalt von Castrop-Rauxel mit seinen 75 000 Einwohnern – während der Europarat mehr als 800 Millionen Menschen repräsentiere.

Bei dem Treffen des Ministerkomitees in Helsinki zeichnet sich am späten Vormittag tatsächlich eine Lösung zur Beilegung des Konfliktes mit Russland ab. So hätten sich die Außenminister mit Mehrheit dafür ausgesprochen, die Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim zu lockern. „Alle Mitgliedsstaaten sollten die Möglichkeit haben, gleichberechtigt sowohl an der Arbeit des Ministerkomitees als auch der Parlamentarier-Versammlung teilzunehmen“, heißt es dazu in einer Erklärung des Europarates. Russland solle schon für die nächste Plenartagung im Juni wieder eine Delegation nennen können. Maas ist davon überzeugt, dass Russland im Europarat die Organisation stärke.

„Ich glaube, dass diejenigen, die Russland aus dem Europarat drängen wollen, dem Europarat mehr schaden damit, als dass sie Russland schaden“, sagt Maas. Russlands Außenminister Sergej Lawrow meint: „Wir sind davon überzeugt, dass Europa verstehen sollte, dass es ohne Russland kaum möglich ist, echte europäische Sicherheit in jeder Dimension zu gewährleisten.“ Es gibt auch Gegner des Kompromisses. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin hat seine Teilnahme am Ministertreffen abgesagt. Mit Blick auf den Krieg in der Ostukraine hat er davor gewarnt, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren.

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