Streitkultur im Netz Maas: Viel Handlungsbedarf bei großen Internetfirmen

Bonn · Bei einer Diskussion in Bonn spricht der Bundesjustizminister über die Debatten- und Streitkultur im Netz. Dabei betont er, dass Googles Suchalgorithmus dem demokratischen Prozess nicht unbedingt förderlich sei.

 An der Diskussion beteiligten sich (von links) Alexandra Borchard, Helge Matthiesen, Heiko Maas und Caja Thimm. Nicht im Bild: Christopher Lauer.

An der Diskussion beteiligten sich (von links) Alexandra Borchard, Helge Matthiesen, Heiko Maas und Caja Thimm. Nicht im Bild: Christopher Lauer.

Foto: Roland Kohls

Im Zuge der Flüchtlingskrise hat die Anzahl der Hasskommentare im Internet deutlich zugenommen: Seit Anfang des Jahres löscht Facebook solche beleidigenden Beiträge erstmals direkt von Deutschland aus: Das soziale Netzwerk entsprach damit einer Forderung von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der im September 2015 einen Arbeitskreis zum Thema „Hetze im Netz“ einberufen und von Facebook den Aufbau eines Löschteams in Deutschland gefordert hatte.

Die Diskussion über die Debatten- und Streitkultur im Netz steht also wieder im Zentrum des Interesses. Gestern Abend debattierten im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) Alexandra Borchard, Chefin vom Dienst bei der „Süddeutschen Zeitung“, Christopher Lauer, Mitglied der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sowie Caja Thimm, Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität an der Universität Bonn mit dem Minister. Moderiert wurde die Diskussion von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

„Was sollte denn schlecht sein an grenzenloser Kommunikation“, erinnerte Akademiedirektor Bodo Hombach in seiner Begrüßung an die Naivität, mit der man dem Netz anfangs begegnet war und machte klar, dass Weisheiten dort rar, Dummheiten hingegen zuhauf zu finden seien. Das sieht Maas ganz ähnlich: „Fördern Suchergebnisse von Google und Co. die gesellschaftliche Desintegration?“, fragte der Justizminister und skizzierte seine Positionen in sieben Thesen.

Dass zum Beispiel Googles Suchalgorithmus dem demokratischen Prozess nicht unbedingt förderlich sei, machte er an einem prägnanten Beispiel fest: Gebe er seinen Namen und das Wörtchen „ist“ in die Suchmaske ein, so Maas, ergänze die Suchmaschine automatisch mit „ein Hetzer“ oder „eine „Schande für Deutschland“. Dieses Ergebnis belege kaum die Behauptung des kalifornischen Unternehmens, der Algorithmus arbeite mit objektiven Faktoren.

Auch der Algorithmus von Facebook sei durchaus bedenklich, so Lauer: Wenn man ein paar Mal auf Posts von NPD, AfD oder Pegida klicke, blende das soziale Netzwerk schnell einen großen Teil des politischen Spektrums aus und man sähe nur noch ähnliche Beiträge. So nähmen Menschen schnell an, dass viele ähnlich dächten, weil ihnen die Beiträge der Mehrheit gar nicht mehr angezeigt würden. „Wo Hass regiert, zieht sich die schweigende Mehrheit schnell zurück“, hatte Maas bereits zuvor dazu gesagt.

Die Meinungsfreiheit dürfe kein Deckmantel sein, um Hetze zu verbreiten und sei auch keine Ausrede für Tatenlosigkeit, so Maas. Bei den großen Internetunternehmen sieht er noch viel Handlungsbedarf, und auch Gesetzesänderungen zum Beispiel beim Kartellrecht seien kein Tabu. Er wünsche sich, dass die Zusage der Plattformbetreiber, Hetze innerhalb von 24 Stunden zu löschen, auch in die Tat umgesetzt werde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort