Dem Supermarkt aufs Dach steigen Lösungen für die Wohnungsknappheit in Deutschland

Berlin · Nach einer Studie könnte der Wohnungsmangel in Deutschland mit Neubauten auf Gewerbeflächen behoben werden. Experten sehen das jedoch kritisch.

 Auf dem Dach der Berliner Lidl-Filiale an der Bornholmer Straße im Bezirk Prenzlauer Berg sind Wohnungen entstanden.

Auf dem Dach der Berliner Lidl-Filiale an der Bornholmer Straße im Bezirk Prenzlauer Berg sind Wohnungen entstanden.

Foto: dpa

Mit Neubauten auf Parkhäusern, Supermärkten und alten Gebäuden könnten einer Studie zufolge bis zu 2,7 Millionen neue Wohnungen in deutschen Städten entstehen. Gravierender Wohnraummangel wie in Berlin, Düsseldorf und Köln würde durch eine solche „Nachverdichtung“ mit Neubauten ohne zusätzlichen Bedarf an Bauland deutlich eingedämmt werden, erklärten Vertreter der Technischen Universität Darmstadt und des Pestel-Instituts für Systemforschung (Hannover) am Mittwoch in Berlin. Insgesamt hätten in Deutschland Ende 2018 gut eine Million Wohnungen gefehlt.

Die Experten legten Berechnungen vor, wonach allein auf den Dächern der zwanzig größten Lebensmittel- und Discounterketten 400.000 Wohnungen gebaut werden könnten. Parkhausdächer böten sich vor allem für Kindergärten an, weil dort genügend Platz auch für Spielecken unter freiem Himmel sei. Eltern könnten durch den vorhandenen Parkraum ihre Kinder außerdem bequem und sicher bringen und abholen. Die Abgase der Autos würden durch Querlüftungen abgeleitet. 560.000 Wohneinheiten ließen sich durch Dachaufstockungen von Bürokomplexen erschließen, 350.000 durch die Nutzung leerstehender Büro- und Behördengebäude und etwa 1,3 Millionen durch Dachaufbauten auf Häusern aus den 1950er bis 1990er Jahren, hieß es.

Belange von Umwelt-, Tier-, Lärm- und Gesundheitsschutz würden bei solchen Bauplanungen genauso berücksichtigt wie bei Neubauten am Boden, sagte Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Er bezeichnete die Verdichtungen von Städten und einer dadurch möglichen weiteren Einschränkung von Lebensraum etwa für Insekten aber als sinnvoller als Flächenfraß durch Häuser auf dem Land. Er räumte zugleich ein, dass Neubauten auf Dächern grundsätzlich „Premium-Flächen mit weitem Blick und viel Sonne und kein kostengünstiger Wohnungsbau“ seien. Dadurch würden aber andere Wohnungen frei und Mieten könnten stabil gehalten oder gesenkt werden.

Zweifel in der Branche

Das wird in der Branche allerdings bezweifelt. Der Düsseldorfer Wohnungskonzerns LEG sieht für Familien mit einem Einkommen von weniger als 2500 Euro netto im Monat in Düsseldorf und Köln „echte Probleme auf dem Wohnungsmarkt“. Dort hat schon etwa jeder zweite Einwohner Anspruch auf eine staatlich geförderte Sozialwohnung. Der Bedarf an neuen Sozialwohnungen in NRW übersteigt nach eigenen Angaben der Landesregierung ein Vielfaches den tatsächlichen Neubau von Sozialwohnungen.

Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmer, Ingeborg Esser, forderte eine steuerliche Förderung für Investoren wie die Erhöhung d er Abschreibung von derzeit zwei auf fünf Prozent bei Erweiterungs- und Umnutzungsbauten sowie die Reduzierung von Bauvorschriften wie bei den Vorgaben für Geschossflächenzahlen und Trauf- und Firsthöhe.

NRW–Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sagte unserer Redaktion: „Ja, es gibt ein Nachverdichtungspotenzial auf Supermärkten und Discountern, aber es geht vor dem Hintergrund der bundesrechtlichen Vorgaben nicht überall. Städte und Gemeinden sollten aktiv auf die Eigentümer zugehen. Da ist noch einiges an Potenzial zu erschließen.“

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