Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats im Interview Kurt Lauk: "Diese Koalition nicht um jeden Preis"

BONN · Kritik an der Haltung der Union bei den Koalitionssondierungen hat der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, geübt. Lauk nannte unter anderem die Einigung auf eine Frauenquote falsch. Mit Lauk sprach Ulrich Lüke.

Kein gutes Haar am Mindestlohn lässt Kurt Lauk.

Kein gutes Haar am Mindestlohn lässt Kurt Lauk.

Foto: dpa

Die Union hat fast die absolute Mehrheit im Bundestag errungen. Verspielt sie den Wahlsieg gerade?
Kurt Lauk: Die CDU ist dabei, der SPD zu helfen, die Agenda 2010 zurückzudrehen. Das ist schlimm genug.

Die anderen Ergebnisse sind auch schlimm?
Lauk: Nicht alles. Dass es keine Steuererhöhungen geben wird, ist gut. Wenn wesentliche soziale Wohltaten unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden, wird tatsächlich weniger geschehen, als im Vertrag drinstehen wird. Betreuungsgeld, Müttergeld, Rentenaltersgrenze wieder senken - all das haben wir in vergleichbaren Situationen im Ausland kritisiert. Jetzt eifern wir diesen Ländern, etwa Frankreich, nach. Das ist nicht gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland und nicht gut für unsere Glaubwürdigkeit in der Europapolitik.

Also besser keine sozialen Wohltaten?
Lauk: Nun, da trifft sich in den Verhandlungsrunden der linke Flügel der CDU, den es schon immer gab, mit der SPD. Da sitzen sich de facto zwei Sozialdemokraten gegenüber und verhandeln die Wohltaten dieser Republik. Das war schon immer so, und in der großen Koalition ist diese Gefahr natürlich am größten. Also: Wir überschätzen im Moment die Leistungsfähigkeit Deutschlands massiv. Nur ein Beleg: Die Abschreibungen der Unternehmen waren in den letzten Jahren höher als die Investitionen. Das ist ein Alarmzeichen. Das bedeutet: Wir leben von der Substanz.

Raten Sie also dazu, diesen Koalitionsvertrag nicht zu unterzeichnen?
Lauk: Der Schlusspunkt unter den Vertrag ist ja noch nicht gesetzt. Aber der Zwischenstand ist nicht erfreulich.

Welchen Punkten widersprechen Sie am entschiedensten?
Lauk: Mir ist es ein Rätsel, weshalb es Politiker geben kann, die die Erhöhung der Arbeitslosigkeit in dieser Republik betreiben, indem sie einen hohen Mindestlohn fordern. Das schadet den Menschen in diesem Land. Die Wirtschaftsweisen haben zu Recht vor 8,50 Euro gewarnt. Das wird geschätzt bis zu 400 000 neue Arbeitslose bringen.

Zweiter Punkt?
Lauk: Der zweite Punkt ist das Thema gesetzlich verankerte Frauenquote. Die ist teilweise falsch und teilweise verlogen. Verlogen, weil ganz offensichtlich die Bundesunternehmen und die staatlich kontrollierten Unternehmen davon ausgenommen werden. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

Warum ist die Quote falsch?
Lauk: Unter den qualifizierten Frauen gibt es eine eindeutige Mehrheit gegen die Quote. Sie wird ihren Wünschen also nicht gerecht. Die Wirtschaft hat bei diesem Thema zu lange geschlafen. Seit drei, vier Jahren holt sie aber massiv auf. Die Selbstverpflichtung wirkt. Es ist mittlerweile ganz schwierig, qualifizierte Frauen für Aufsichtsräte zu gewinnen. Wir sind also auf gutem Wege und brauchen deshalb jetzt keine gesetzliche Quote.

Der dritte zentrale Kritikpunkt?
Lauk: Warum drehen wir das Rentenalter von 67 zurück? Und nochmal: Die ganzen Sozialausgaben, so gerecht und nachvollziehbar sie sein mögen, müssen finanziert sein.

Was raten Sie der Kanzlerin?
Lauk: Dass sie den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht schwächt. Darauf muss sie jetzt achten. Im Moment sind die Verhandlungen dabei, genau das zu tun, und das wird uns nicht bekommen. Wir werden mit diesem Programm eine Radikalisierung links und rechts erleben. Das kann nicht gut sein.

Sehen Sie eine Alternative zur großen Koalition?
Lauk: Die Alternative ist, gute Inhalte zu verabreden. Man darf diese Koalition nicht um jeden Preis machen.

Das hieße in letzter Konsequenz Neuwahlen?
Lauk: So schnell nicht. Aber wir müssen uns tatsächlich irgendwann die Frage vorlegen: Sind Neuwahlen nicht besser als eine schlechte Koalitionsvereinbarung?

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