Die Lage in Saudi Arabien Kronprinz unter Druck

Istanbul · Deutschland und Saudi-Arabien nähern sich wieder an. Doch die Lage in Riad wird zunehmend instabil. Kronprinz Salman hat viele Kritiker in der eigenen Familie.

 Ist auch in der Königsfamilie nicht besonders hoch angesehen: Prinz Salman, kurz MBS.

Ist auch in der Königsfamilie nicht besonders hoch angesehen: Prinz Salman, kurz MBS.

Foto: AP

Nach fast einem Jahr haben Deutschland und Saudi-Arabien die Krise in ihren Beziehungen beigelegt: Der saudi-arabische Botschafter wird nach zehnmonatiger Abwesenheit nach Berlin zurückkehren. Doch auch wenn der Streit um den Vorwurf des „Abenteurertums“ an Riad ausgeräumt ist, wird die Bundesregierung nicht mit Stabilität in der saudischen Hauptstadt rechnen können. Der starke Mann des Königreichs, Kronprinz Mohammed bin Salman, steckt in Schwierigkeiten. MBS, wie der Thronfolger allseits genannt wird, hat die halbe Königsfamilie gegen sich aufgebracht, ohne seine Stellung mit innen- oder außenpolitischen Erfolgen absichern zu können. Angeblich schläft der Prinz inzwischen häufig auf seiner Luxusjacht, weil er Mordanschläge fürchtet.

Der 33-jährige hat sich das Ziel gesetzt, aus dem auf Öleinnahmen angewiesenen und streng konservativen Königreich einen modernen Staat mit diversifizierter Wirtschaft und alternativen Energiequellen zu machen. In seinem Reformprogramm „Vision 2030“ entwirft MBS das Bild eines weltoffenen und dynamischen Landes mit zukunftsweisenden Technologien. Der Kronprinz hat die Eröffnung von Kinos erlaubt und Frauen das Autofahren ermöglicht.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Seit drei Jahren führt Saudi-Arabien auf Befehl von MBS im Jemen einen rücksichtslosen und teuren Krieg gegen die iranisch unterstützten Huthis, in dem mehr als 10 000 Zivilisten ums Leben gekommen sind. Ein Sieg der Saudis ist nicht in Sicht. In der Konfrontation mit der schiitischen Regionalmacht Iran hat MBS den Teheraner Revolutionsführer Ali Khamenei mit Adolf Hitler verglichen und angedeutet, dass Riad auch innerhalb der iranischen Grenzen tätig werden könnte, um das feindliche Regime zu erschüttern.

Auf der Arabischen Halbinsel selbst liefert sich Saudi-Arabien seit mehr als einem Jahr einen Machtkampf mit dem kleinen, aber reichen Katar, der die Spaltung der arabischen und islamischen Welt weiter vertieft. Katar hat sich die Unterstützung des Iran und der Türkei gesichert. In der internationalen Öffentlichkeit leidet der Ruf von Mohammed bin Salman als Reformer, weil er mehrere Menschenrechtler ins Gefängnis werfen ließ. Demokratische Veränderungen gehören nicht zum Programm des Prinzen: Er sei weder Gandhi noch Mandela, sagte er dem US-Fernsehsender CBS.

Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge hat Saudi-Arabien allein im vergangenen Jahr 146 Menschen hinrichten lassen. Potenziell folgenreicher für die Machtstellung von MBS sind Rückschläge im Kernbereich seiner Pläne für das Land. Sein eigener Vater, König Salman, hat den angekündigten Börsengang des saudischen Ölkonzerns Aramco gekippt und damit eine wichtige Geldquelle für die „Vision 2030“ versiegen lassen. Auch bei anderen Privatisierungsprojekten gibt es Probleme.

Vor einigen Wochen machte ein Onkel des Kronprinzen die Spannungen in der traditionell um Einigkeit bemühten Herrscherfamilie öffentlich. Prinz Ahmed bin Abdulaziz al Saud, ein Halbbruder von König Salman, distanzierte sich angesichts des Debakels in Jemen von MBS.

Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert sei Saudi-Arabien nicht mehr stabil und berechenbar, schrieb der amerikanische Nahostexperte Bruce Riedel in einem Beitrag für die Onlineplattform Al-Monitor. Manche Beobachter wie der Historiker Michael Burleigh erwarten ein baldiges Scheitern des Kronprinzen. König Salman könne seinen Sohn mit einem einzigen Federstrich entmachten, schrieb Burleigh in der britischen „Times“.

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