Deutsches Rettungsschiff "Sea-Watch 3" Kräftemessen vor Lampedusa

ROM · Italiens Innenminister Matteo Salvini untersagt dem Schiff der deutschen NGO „Sea Watch“ weiterhin die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa. Dahinter steckt eine Politik, die auf Konfrontationskurs mit der EU geht.

Es ist ein stiller Machtkampf, der sich vor der italienischen Insel Lampedusa im Mittelmeer abspielt. Am Mittwoch war die „Sea-Watch 3“ mit 42 Flüchtlingen und 22 Besatzungsmitgliedern trotz eines Verbots durch das Innenministerium in italienische Hoheitsgewässer bis in Sichtweite des Hafens vorgedrungen. Zwei Wochen lang hatte das Rettungsschiff zuvor in internationalen Gewässern ausgeharrt. Auch am Donnerstag lag das Schiff vor Lampedusa.

Mit der Anfahrt auf die Insel handelte die deutsche Kapitänin Carola Rackete einem Verbot zuwider, das Italiens Innenminister Matteo Salvini verfügt hatte. Er untersagte dem Schiff der deutschen NGO „Sea Watch“ die Einfahrt in den Hafen, ein neues Gesetzesdekret macht das unter Androhung der Beschlagnahme des Schiffes sowie Strafen von bis zu 50.000 Euro möglich. Das Schiff könnte dort auch „bis Weihnachten“ warten, hatte Salvini gesagt. Italienischen Boden würden die Migranten nicht betreten. Um diese Drohung zu untermalen, ließ der Innenminister am Mittwoch Carabinieri an der Hafenmole Stellung beziehen.

Hintergrund ist ein Kräftemessen zwischen der italienischen Regierung, zum Einen mit den Nichtregierungsorganisationen, die aus Libyen kommende Flüchtlinge auf dem Mittelmeer aufnehmen und in die EU bringen wollen. Inzwischen betrifft der Machtkampf auch Italien und die gesamte EU, insbesondere Deutschland und die Niederlande. In Brüssel appellierte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag an die EU-Länder, Solidarität zu zeigen und die 42 Flüchtlinge aufzunehmen.

Salvini, Innenminister der rechtsnationalen Lega, hatte gefordert, Deutschland solle als Heimatland der NGO die Migranten aufnehmen, die Niederlande als Flaggenstaat der „Sea-Watch 3“ ebenfalls. Beide Länder sind offenbar hinter den Kulissen mit Rom in der Frage in Kontakt.

Am Mittwochabend legte Salvini nach: „Die Angelegenheit könnte man lösen mit 21 Migranten nach Amsterdam und 21 nach Berlin. Oder wir beginnen damit, diejenigen, die in Italien ankommen, nicht mehr zu identifizieren, so dass sie in andere Länder weiterziehen können.“

Damit drohte der Innenminister implizit mit der Umgehung der in der EU geltenden sogenannten Dublin-Regeln. Danach müssen Migranten vom Staat ihrer Ankunft identifiziert werden, nur dieser Staat ist dann auch für ein etwaiges Asylverfahren zuständig. Bereits in der Vergangenheit umging Italien diese Regelung, Tausende unregistrierte Flüchtlinge zogen etwa nach Frankreich oder in die Bundesrepublik weiter.

Hintergrund der Drohung dürften auch die zahlreichen Abschiebungen von Migranten aus anderen EU-Staaten nach Italien sein. Insgesamt flogen andere EU-Staaten seit Jahresbeginn insgesamt 3500 Migranten nach Italien zurück, allein aus Deutschland kamen infolge der Dublin-Regelung etwa 1200 Flüchtlinge. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums kamen seit Januar zudem etwa 2500 Migranten in Italien an, alleine 1000 im Juni. Damit haben sich die Ankünfte in Italien im Vergleich zu den Vorjahren zwar verringert. Salvinis Null-Toleranz-Politik gegenüber Migranten wird durch die Zahlen aber in Frage gestellt.

Der Berliner Verein Sea Watch teilte am Donnerstag mit, das Schiff werde vor Lampedusa von einem Patrouillenboot der italienischen Finanzpolizei überwacht. „Wir könnten nicht mehr ohne Weiteres wegfahren“, sagte der Sprecher der Organisation, Ruben Neugebauer. Die Beamten, die am Vorabend an Bord gekommen waren, hätten die Kapitänin der „Sea-Watch 3“ zum Verlassen der italienischen Hoheitsgewässer aufgefordert. Sea Watch erkennt in dem Vorgehen des Innenministers allerdings einen Verstoß gegen das internationale Seerecht. Danach müssen Personen in Seenot gerettet und in den nächstgelegenen sicheren Hafen, in diesem Fall Lampedusa, gebracht werden.

Nach Angaben der Kapitänin Rackete verweigerte auch Malta die Einfahrt. Eine Rückkehr nach Libyen oder nach Tunesien schloss sie angesichts des mangelnden humanitären Schutzes in diesen Ländern aus.

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