Kommentar zur Michael-Jackson-Ausstellung Jetzt erst recht

Meinung | Bonn · Trotz der neuen massiven Missbrauchsvorwürfen gegen den King of Pop zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn die Michael-Jackson-Ausstellung. Die Entscheidung ist mutig und notwendig, kommentiert GA-Redakteur Thomas Kliemann.

Alles richtig gemacht! Es gehört schon eine Portion Mut dazu, eine Ausstellung über Michael Jackson aufzulegen – in Zeiten, in denen fast täglich neue Details aus der Dokumentation „Leaving Neverland“ bekannt und massive Missbrauchsvorwürfe gegen den King of Pop wiederholt werden. Das Denkmal des Megastars empfindlich wackelt, und Fans ernsthaft fragen, ob man „Thriller“ und „Man in The Mirror“ noch hören darf. Die Ausstellung „Michael Jackson: On the Wall“ dennoch in Bonn zu zeigen, ist mutig – und notwendig, zumal für eine nationale Kulturinstitution wie die Bundeskunsthalle.

Rein Wolfs, deren Chef, lavierte sich geschickt aus der Schmuddelzone vager Vorwürfe gegen den King of Pop heraus und in die Diskursebene hinein, indem er sagte, man könne doch die Ausstellung als Plattform für eine breite Debatte nutzen. Man sei entsetzt über die Vorwürfe, es handle sich bei der Schau aber nicht um eine Hommage an Michael Jackson (was man durchaus auch anders sehen kann).

So nimmt er Jackson-Kritikern und Meetoo-Eiferern den Wind aus den Segeln und schafft Räume, sich rational und ruhig mit dem Thema zu befassen. Mit den Themen. Denn es geht nicht nur um den Megastar, der kleine Jungs missbraucht haben soll, es geht auch um die Moral einer Gesellschaft, die gegen einen juristisch als unschuldig geltenden, 2009 gestorbenen Musiker vorgehen und en passant sein gesamtes künstlerisches Werk kriminalisieren will. Dass eine Kulturinstitution sich dieses Themas annimmt, ist richtig und wichtig, denn der Fall Jackson ist nur einer unter vielen. Es geht auch um die Freiheit der Kunst und deren Verteidigung gegen den Furor selbst ernannter oder institutioneller Sittenwächter und Moralapostel.

Die Bundeskunsthalle steigt mit der Michael-Jackson-Schau erneut vom Elfenbeinturm herab und profiliert sich zunehmend als Ort kulturpolitischer Diskussionen. Das ist ein guter Trend.

Ob mit den „Jerusalemer Gesprächen“ oder mit dem Komplex Gurlitt und dem Kunstraub der Nazis – dem Haus gelingt es immer wieder, Debattenräume zu öffnen. Ob das auch im Fall Jackson gelingt, wird sich zeigen. Ein Anfang ist gemacht, erste Diskussionsangebote sind ausgesprochen.

Am 6. April zeigt der Sender ProSieben die umstrittene Dokumentation, in der zwei Männer ausführlich berichten, wie sie als Kinder von Jackson missbraucht wurden. Sicher wird das Thema dann in Deutschland erneut hochkochen – und Bonn steht als Diskursbühne bereit.

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