Häusliche Gewalt Jede Stunde wird eine Frau in Deutschland zum Gewaltopfer

Berlin · Bundesfamilienministerin Franziska Giffey präsentiert alarmierende Zahlen - und die Dunkelziffer liegt noch viel höher. Die Regierung will die Hilfsangebote ausweiten. Allein der Bund plant 120 Millionen Euro ein.

 Präsentierte alarmierende Zahlen: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).

Präsentierte alarmierende Zahlen: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Jede Stunde wird in Deutschland eine Frau Opfer häuslicher Gewalt, an jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder ehemaligen Partner getötet. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) stellte am Montag zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in Berlin die Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) für 2018 vor. Sie sprach von „alarmierend hohen Zahlen“. Und die Dunkelziffer liegt noch höher.

Im vorigen Jahr wurden 114 393 Frauen Opfer von Verletzungen, Bedrohungen oder Nötigungen durch ihre Ehemänner, Partner oder Ex-Partner. 2017 waren es 113 965 Frauen. 122 wurden getötet – 2017 waren es 147. Erfasst wurden Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution.

Da aber nur die Fälle aufgelistet sind, die angezeigt werden, gilt die Dunkelziffer als sehr viel höher. Das Familienministerium weist auf sogenannte Dunkelfeldstudien hin, wonach jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebe. Es werden aber auch Männer von ihren Frauen misshandelt. 2018 waren es laut Statistik rund 26 000. Männern wird allerdings eher zugetraut, dass sie die Taten anzeigen.

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch warf Giffey „Heuchelei“ vor und sprach von „importierter Migrantengewalt gegen Frauen“. Laut Bundeskriminalamt sind die Opfer zu 70 Prozent Deutsche. Gemessen an ihrem Anteil von zwölf Prozent an der Gesamtbevölkerung in Deutschland ist der Anteil der Ausländerinnen unter den Betroffenen von häuslicher Gewalt mit rund 30 Prozent vergleichsweise hoch.

Die Staatsministerin für Integration und Vorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), kündigte eine Ausweitung von Schutz und Hilfsangeboten an und forderte eine stärkere Einbindung von Männern in die Gewaltprävention. Betroffene Frauen müssten über Hilfsangebote besser informiert und Lücken in den Hilfestrukturen geschlossen werden, sagte sie unserer Redaktion. 

Widmann-Mauz sagte, sie unterstütze Gewaltschutzprojekte, in denen gezielt auch männliche Mediatoren für Gewaltprävention ausgebildet würden. Ein bundesweites Projekt richte sich gezielt an Migrantinnen und Migranten. Aufklärung über Frauenrechte und Gleichberechtigung bei Zuwandern sei nötig, insbesondere auch für Menschen aus Ländern, in denen Frauen unterdrückt würden.

120 Millionen Euro für Frauenhäuser geplant

Von den 114 000 weiblichen Opfern sind zu 13 Prozent Türkinnen, elf Prozent Polinnen und sieben Prozent Syrerinnen. Unter den insgesamt 26 000 Männern sind zu 17 Prozent Türken, neun Prozent Polen und sechs Prozent Italiener. 

Bund, Länder und Kommunen wollen die Hilfsangebote für Frauen ausbauen. Allein der Bund plant 120 Millionen Euro für den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen ein. Das Komitee UN Women Deutschland prangerte an, dass viele Frauenhäuser in Deutschland überfüllt seien. Es gibt hierzulande etwa 350 Frauenhäuser als Zufluchtsstätte für bedrohte Frauen. Giffey startete die bundesweite Initiative „Stärker als Gewalt“ (Webseite: stärker-als-gewalt.de). Es geht dabei vor allem darum, diese Hilfsangebote bekannter zu machen und Gewaltopfer zu ermutigen, sich Unterstützung zu holen.

Auch andere Ländern rückten das Thema zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in den Fokus. Frankreichs Regierung kündigte an, Frauen mit Gesetzesverschärfungen künftig besser vor Gewalt zu schützen. „Gegen Partnerschaftsgewalt braucht unsere Gesellschaft einen Elektroschock“, sagte Premier Édouard Philippe. Zum Beispiel soll die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden, damit Ärzte in Notfällen ihre Patientinnen besser schützen können. Außerdem sollen Unterkünfte für gewalttätige Männer entstehen, in denen diese betreut werden.

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