Cécile Kyenge Italiens Integrationsministerin fordert ein Ende der Repression

ROM · Italienische Politiker geben sich die Klinke in die Hand auf Lampedusa. Innenminister Angelino Alfano war da, ebenso die Präsidentin des Abgeordnetenhauses Laura Boldrini, die Lampedusa noch aus ihrer Zeit als Mitarbeiterin des Flüchtlingshilfswerk UNHCR gut kennt.

 Betroffen: Integrationsministerin Cécile Kyenge.

Betroffen: Integrationsministerin Cécile Kyenge.

Foto: AP

Auch die Ministerin für Integration, Cécile Kyenge, besuchte die Insel. Heute soll Alfano zurückkehren und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begleiten. Alle Besucher wirken betroffen. Abgesehen davon sind sie sich uneinig, wie künftig Katastrophen wie die vom vergangenen Donnerstag, als vermutlich mehr als 350 Flüchtlinge ertranken, vermieden werden können. 211 Todesopfer wurden gestern Nachmittag gezählt.

Grund für die Uneinigkeit ist das geltende Immigrationsgesetz aus dem Jahr 2002. Danach machen sich Menschen, die ohne Erlaubnis italienischen Boden betreten, der "illegalen Einwanderung" strafbar. Auch gegen die 155 Überlebenden des Unglücks auf Lampedusa musste die Staatsanwaltschaft Agrigent Ermittlungen einleiten.

Ein Nebeneffekt des Gesetzes ist, dass sich Kapitäne von Schiffen der Beihilfe zur "illegalen Einwanderung" strafbar machen, wenn sie Schiffbrüchige retten und an Land bringen. Möglicherweise spielte diese Tatsache bei dem Unglück eine Rolle, mehrere Kutter sollen an dem Wrack, das bald darauf sank, vorbeigefahren sein.

Die Debatte in Italien kreist um die offensichtliche Unmenschlichkeit dieser Normen. Das Land ist mit seinen Küsten und seiner Nähe zu Afrika eines der Hauptziele afrikanischer Flüchtlinge. Allein bis zum ersten Oktober setzten 30 000 Menschen von Afrika nach Italien über.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Enrico Letta stellte eine Änderung der Normen in Aussicht, seine Integrationsministerin bürgte bereits persönlich dafür. "Die Repression muss aufhören. Wir brauchen konkrete Antworten für diese unschuldigen Menschen", sagte die aus dem Kongo stammende Kyenge, die immer wieder von der Lega Nord angefeindet wird.

Die Lega Nord sowie die Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" (PdL) verteidigten die aktuelle Gesetzgebung. Beide politische Kräfte initiierten das Gesetz von 2002. Italien, so wird argumentiert, werde von der EU alleingelassen und müsse sich selbst gegen den "Ansturm" wehren.

Auch Innenminister Alfano ist für die Beibehaltung der aktuellen Gesetze. Eine Änderung hätte eine erneute Belastungsprobe für die Regierungskoalition zur Folge. Möglicherweise werden andere Maßnahmen zuerst ergriffen: Die Regierung will etwa ihre Beziehungen zu Libyen wieder verstärken, um bilaterale Abkommen wie in der Vergangenheit zu erzielen. Diese waren nach dem arabischen Frühling bedeutungslos geworden.

Wie es hieß, wird Alfano beim heutigen Treffen der Innenminister in Luxemburg auf die exponierte Lage Italiens aufmerksam machen. Der PdL-Parteisekretär will Änderungen an der geltenden Regel vorschlagen, der zufolge das Ankunftsland alleine für die Asylanträge von Flüchtlingen zuständig ist (Dublin-II-Verordnung). Italien fühlt sich durch diese Regel benachteiligt. 17 352 Asylanträge wurden hier im Jahr 2012 registriert, in Frankreich waren es 97 000, in Belgien 38 000. Schätzungen zufolge befanden sich vergangenes Jahr 326 000 Flüchtlinge ohne Aufenthaltsgenehmigung in Italien.

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