Anschlagserie in Afghanistan Angriff der Taliban

BANGKOK · Gut eine Woche nach der umstrittenen Ernennung von Mullah Akhtar Mansour zum Nachfolger des verstorbenen Gründers der Talibanmilizen, Mullah Mohammed Omar, scheint Afghanistan in einem selbst für die blutige Geschichte des Landes einzigartigen Strudel der Gewalt zu geraten.

 Bei erneuten Angriffen in Afghanistan sind über 50 Menschen gestorben.

Bei erneuten Angriffen in Afghanistan sind über 50 Menschen gestorben.

Foto: dpa

51 Tote starben in der Hauptstadt Kabul. Hunderte von teilweise lebensgefährlich Verletzten überforderten die Krankenhäuser. 22 Männer wurden Opfer eines versteckten Sprengsatzes in Khanabad nahe der Stadt Kundus.

Aktionen wie die Attentate vom Wochenende bedürfen langer Vorbereitung und Planung. Es erscheint deshalb unwahrscheinlich, dass sie im direkten Zusammenhang mit den Führungsproblemen der radikalislamischen Milizen stehen. Allerdings dürfte Mansour, der sich bereits seit Längerem als Omar-Double an der Talibanspitze betätigte, sie mit Blick auf die Bemühungen um eine politische Lösung in Pakistan angeordnet haben.

Alle Gespräche sind zwar bis auf Weiteres ausgesetzt. Aber die Anschläge verstärken das Bild, das Afghanistans Sicherheitskräfte sich seit dem weitgehenden Abzug der Nato-Truppen nur bedingt gegen ihre Feinde wehren können. In diesem Jahr starben bereits 1600 Zivilisten, 3300 wurden verletzt. 4100 Soldaten kamen ums Leben, 7800 wurden verwundet.

Der Anschlag von Kundus, bei dem 22 Mitglieder einer lokalen Miliz starben, könnte laut Thomas Ruttig von "Afghan Analysts Network" (AAN) auf einem internen Machtkampf beruhen: "Khanabad ist eine Durchgangsstation des Drogen- und Waffenschmuggels unter anderem nach Mittelasien. Der getötete Milizenkommandeur hatte gerade einen Widersacher verdrängt, der wiederum lokale Taliban für das Racheattentat angeheuert haben könnte."

Die drei Attentate in Kabul schätzt AAN-Vertreter Ruttig als Vergeltung ein: "Nach den Gesprächen im pakistanischen Murree, zu denen die Taliban unter dem falschen Versprechen der Geheimhaltung gelockt worden waren, und nach dem Führungsstreit um Mullah Omar will sein Nachfolger Mansour zeigen, dass er zuschlagen kann und sich von Islamabad und Kabul nicht als Marionette behandeln lässt."

In der Nacht zum Samstag gelang den Taliban mit dem Angriff auf Camp Integrity nahe des internationalen Flughafens von Kabul ein spektakulärer Erfolg. Das Lager wird von der Söldnerfirma Academi, wie sich die berüchtigte Blackwater-Truppe heute nennt, betrieben und beherbergt Spezialeinheiten der USA. Bei der stundenlangen Attacke durch vier Angreifer kamen ein US-Soldat und acht Academi-Söldner ums Leben. Nach dem Abzug der Nato blieben Berichten zufolge Zehntausende von Söldnern am Hindukusch.

Nahezu gleichzeitig riss ein Selbstmordattentäter 40 Menschen vor einer Polizeiakademie in Kabul in den Tod. Die meisten Opfer standen in einer Warteschlange vor dem Eingang, um sich durchsuchen zu lassen. Schon am Freitagmorgen hatte eine gewaltige Bombe im Zentrum von Kabul 15 Menschen getötet und Hunderte verletzt. Die drei Überfälle tragen alle Kennzeichen der sogenannten Haqqani-Fraktion der Taliban. Sie ist für die meisten Anschläge in Kabul verantwortlich und wurde von einem US-General einmal als verlängerter Arm des pakistanischen Geheimdienstes ISI bezeichnet. Ihr Führer Sirajuddin Haqqani firmiert jetzt als Nummer Zwei der Taliban-Spitze.

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