Pfarrer dringend gesucht Immer weniger junge Menschen studieren Theologie

HANNOVER · Steht auch das evangelische Pfarrhaus bald leer? In der hannoverschen Zentrale der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) warnt man (noch) vor einem falschen Alarm und verheißt Theologiestudenten, die ins Pfarramt wollen, "einen interessanten, herausfordernden und vielfältigen Beruf."

 Nachwuchssorgen: Immer weniger junge Menschen wollen Pfarrer werden.

Nachwuchssorgen: Immer weniger junge Menschen wollen Pfarrer werden.

Foto: dpa

Doch immer weniger junge Menschen entschließen sich für diesen "vielfältigen Beruf", auf den sie sich an 19 Universitäten (unter anderem Bonn) und zwei Kirchlichen Hochschulen (Wuppertal und Neuendettelsau) vorbereiten können.

Zwar ist die gegenwärtige Situation nicht so prekär wie in der etwa gleich großen römisch-katholischen Kirche mit weniger als 100 Neupriestern pro Jahr. Aber dennoch treibt der künftige Pfarrermangel manchen Personalplanern in den 20 Mitgliedskirchen der EKD längst Schweißperlen auf die Stirn, obwohl im Gegensatz zu den katholischen Priestern Frauen (seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) gleichberechtigt zum Pfarramt zugelassen sind und die evangelische Kirche keinen Zölibat kennt.

War vor noch nicht allzu langer Zeit gar von einer Pfarrerschwemme die Rede, wurden viele junge Theologen nach zehn Jahren Studium und Vikariat nicht ins Pfarramt übernommen, sondern wichen als Pfarrer im Ehrenamt auf die unterschiedlichsten Tätigkeiten in der Wirtschaft aus oder gingen ins Ausland, so hat sich bereits heute die Situation grundlegend geändert: Die meisten Landeskirchen haben inzwischen die Schutzklausel aufgehoben oder zumindest gelockert, nach der nur junge Theologen aus dem Bereich der eigenen Kirche eingestellt wurden. Und die meisten Landeskirchen werben wieder intensiv für ein Studium der Theologie.

Gegenwärtig zählt die evangelische Kirche (Stand 2010) mit ihren knapp 24 Millionen Mitgliedern in rund 15.000 Kirchengemeinden rund 21.500 Pfarrer (davon 33,5 Prozent Pfarrerinnen). Rund 14.000 von ihnen befinden sich im Gemeinde-, weitere 5.500 in einem Funktionsdienst (beispielsweise Schul-, Gefängnis- und Auslandspfarrer oder Kirchenleitung). Doch bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts setzt eine große Pensionierungswelle ein, und wer in diesem Herbst ein Theologiestudium aufnimmt, wird erst zu Beginn des nächsten Jahrzehnts ein Pfarramt übernehmen können.

Allerdings werden in Zukunft auch weniger Pfarrer benötigt. Denn die demografische Entwicklung und die nach wie vor hohen Austrittszahlen (über 100.000 pro Jahr) lassen die Mitgliederzahlen schwinden, die Kirchensteuereinnahmen sinken und die Zahl der Gemeinden und Pfarrstellen abnehmen. Aber diese Zahlen werden nicht die dramatisch gesunkene Zahl der Theologiestudenten kompensieren. Studierten Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts noch über 15.000 Abiturientinnen und Abiturienten Theologie, so sind es im Hauptfach nicht einmal mehr 5.000. Auf das Rheinland bezogen, studierten 2010 146 junge Menschen Theologie mit dem Ziel, Pfarrer(in) zu werden. 60 Prozent davon waren junge Frauen.

Warum ist das von Martin Luther begründete und durch die Jahrhunderte hindurch als wichtiger Teil des deutschen Bildungsbürgertums geachtete evangelische Pfarrhaus unter jungen Menschen nicht mehr sonderlich gefragt? Die Gründe sind sehr vielschichtig. Zum einen gilt das Studium als schwer (wegen der Alten Sprachen) und lang, zum anderen das Pfarramt als stark fordernd.

Die gesellschaftliche Stellung entspricht nicht mehr der früherer Zeiten, die Aufstiegschancen sind gering. Vor allem aber: Offensichtlich spielt die Gottesfrage unter jungen Menschen keine besondere Rolle mehr. Auch erschwert die moderne Schulorganisation immer mehr die aktive Teilnahme an der kirchlichen Jugendarbeit, aus der früher viele künftige Pfarrer(innen) gekommen sind.

Bereits jetzt ist abzusehen, dass bereits in wenigen Jahren viele evangelische Pfarrhäuser leer stehen werden - durch die notwendige Reduzierung von Kirchengemeinden, vor allem aber durch die dramatische Abnahme junger Theologiestudentinnen und -studenten. Immerhin haben die meisten Kirchenleitungen das Problem erkannt und treiben nun wieder intensiv Werbung für ein schweres, aber schönes Studium mit guten Berufsaussichten.

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