Wahlkampf in Frankreich Hollande lässt die Muskeln spielen

Paris · Frankreichs sozialistischer Präsidentschaftskandidat macht Front gegen Angela Merkel und will den Fiskalpakt aufkündigen. Angesichts seiner Bilanz hat Sarkozy allerdings Schwierigkeiten, sich als der bessere Wirtschafter und Sanierer Frankreichs zu präsentieren.

Längst ist nicht mehr die Rede von jenem François Hollande, der zu entscheidungsschwach und harmoniesüchtig sein soll, um für den Posten des französischen Staatspräsidenten zu taugen. Davor warnten im Wahlkampf die Kritiker des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten. Eine gute Woche vor der Stichwahl am 6. Mai, in die er nach den Umfragen als Favorit vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy geht, zeigt er beim Zankapfel europäischer Fiskalpakt eine unnachgiebige Haltung gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Hollande beharrt weiter darauf, den von Merkel und Sarkozy ausgehandelten und von den ersten EU-Mitgliedstaaten bereits ratifizierten Pakt zur Haushaltssanierung aufzukündigen und um Wachstumskomponenten zu ergänzen. Er stelle Budgetdisziplin und Sanktionen bei Nichteinhaltung gar nicht in Frage, erklärte er im französischen Fernsehen. "Aber die Ziele können nicht ohne Wachstum erreicht werden."

Deutschland entscheide nicht über die ganze EU, und Frankreich sei auch nicht "irgendein Land", sondern ein Führungsstaat Europas - stolze Sätze, die gut ankommen dürften bei seinen Landsleuten und vor allem bei der Wählerschaft der Rechtspopulistin Marine Le Pen, um die Sarkozy wie Hollande heftig buhlen. Die Kandidatin des Front National hat beim ersten Wahlgang 17,9 Prozent erhalten, auch dank ihrer nationalistischen und EU-skeptischen Haltung.

Frankreichs Selbstbewusstsein hat stark gelitten durch seine nachlassende Wettbewerbsfähigkeit, den Verlust der Bestnote für die Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Standard & Poor's, aber auch durch Sarkozys wiederholte Verweise auf das "deutsche Modell", dem man nacheifern müsse.

Davon ist der Präsident inzwischen ebenso abgewichen wie von der Idee, sich von Merkel Wahlkampf-Unterstützung zu holen. Dennoch hat die Kanzlerin, die eine Besuchsanfrage Hollandes während des Wahlkampfes unbeantwortet ließ, in einem Interview deutlich gemacht, der Fiskalpakt sei nicht neu verhandelbar: "Parlamente überall in Europa stehen davor, ihn zu verabschieden." Das Thema Wachstum sei neben soliden Finanzen "längst die zweite Säule unserer Politik". Zwar verspricht Hollande eine kontinuierliche Konsolidierung und einen ausgeglichenen Haushalt bis 2017, verweigert aber eine Festschreibung einer Schuldenbremse in die französische Verfassung, wie in dem Fiskalpakt vorgesehen. Er tritt für Eurobonds und eine aktivere Rolle der Europäischen Zentralbank ein. Damit glaubt er eine Vielzahl anderer europäischer Staats- und Regierungschefs hinter sich, wie Belgiens ehemaligen Premierminister Guy Verhofstadt.

Das Präsidentenlager hingegen spottet über Hollandes Muskelspiele. "Er überschätzt vielleicht ein wenig seine Stärke", erklärte Premierminister François Fillon. Deutschland respektiere Frankreich nur, wenn es genauso solide haushalte.

Angesichts seiner Bilanz hat Sarkozy allerdings Schwierigkeiten, sich als der bessere Wirtschafter und Sanierer Frankreichs zu präsentieren. Nicht nur stiegen in seiner Amtszeit die Schulden um mehr als 500 Milliarden Euro an. Eine Woche vor dem entscheidenden Wahlgang schreckte die Meldung auf, die Zahl der Arbeitslosen sei auf einen neuen Höchststand seit mehr als zwölf Jahren angestiegen, während der Präsident im März noch ein tendenzielles Sinken angekündigt hatte.

Meinungsforschern zufolge sind die hohe Arbeitslosigkeit von zehn Prozent und die niedrige Kaufkraft die Hauptsorgen der Franzosen, die auf der Wahl in einer Woche lasten.

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