TV-Duell Heftiger Schlagabtausch zwischen Alistair Darling und Schottlands Regierungschef

LONDON · Leidenschaftlicher hätte der Schlagabtausch kaum ablaufen können. Der schottische Regierungschef Alex Salmond und der ehemalige britische Finanzminister Alistair Darling lieferten sich am Dienstagabend, rund sechs Wochen vor dem Referendum über eine Unabhängigkeit Schottlands, ein hitziges TV-Duell, unterbrochen und begleitet von einer Mischung aus Buhrufen und dem Applaus der Gäste.

Der Moderator hatte viel zu tun, um die Gemüter etwas zu beruhigen. "Niemand kann Schottland besser führen als die Menschen, die in dem Land leben und arbeiten", führte der rhetorisch versierte Salmond an. Die Union verhindere den Traum von der Selbstbestimmung. Er wirbt seit Monaten unaufhörlich für ein "Ja" beim Volksentscheid, wenn rund vier Millionen wahlberechtigte Schotten die Frage beantworten dürfen: "Soll Schottland ein unabhängiger Staat sein?"

Salmonds Scottish National Party (SNP) ist davon überzeugt, dass das rohstoffreiche Schottland wirtschaftlich unter dem Gesamtstaat Großbritannien leidet und ohne die Union besser dastünde. Das bestreitet Westminster. "Wenn wir uns entscheiden zu gehen, gibt es kein Zurück, keine zweite Chance", warnte Alistair Darling.

Er, selbst Schotte, führt als Chef der Mehrparteien-Kampagne "Better Together" (Besser gemeinsam) das Lager der Abspaltungsgegner an. Er betonte die Risiken, die ein Ausstieg aus dem Pfund für Schottland bringen würde, und stellte Salmond in der Währungsfrage bloß.

"Am 18. September haben wir die Chance unseres Lebens, wir müssen diese Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen", sagte Salmond eindringlich. Diese Meinung vertreten auch zahlreiche Prominente, unter anderem der ehemalige James-Bond-Darsteller Sean Connery, der den Volksentscheid als "historische Chance" bezeichnete.

Sie sei zu gut, um sie zu verpassen. Selbst Papst Franziskus hat sich schon zu Wort gemeldet, wenn auch nicht ganz eindeutig. "Teilungen machen mir Sorgen", sagte er in einem Interview mit einer katalanischen Zeitung. Für die Gegner der Autonomie ist der Papst damit auf ihrer Seite.

Eine Umfrage des britischen "Guardian" nach dem Fernsehduell ergab, dass eine Mehrheit von 47 Prozent fand, dass sich Darling im Fernsehduell besser schlug. 37 Prozent sahen dagegen Salmond vorn - ein enttäuschendes Ergebnis für die Yes-Kampagne, die sich von dem Abend einen Wendepunkt versprochen hatte.

In der seit Monaten hitzig geführten Diskussion geht es vor allem um die Einnahmen aus dem Nordsee-Öl, die Zukunft der in Schottland stationierten britischen U-Boote, die zukünftige Währung. Und die EU. Sie könnte der Yes-Kampagne zum Aufschwung verhelfen - oder besser gesagt, die Ergebnisse der Europawahl vom vergangenen Mai.

Während die britische Regierung unter Premier David Cameron derzeit dafür kämpft, "weniger Europa" in Brüssel durchzusetzen, und seit dem Wahlsieg der EU-feindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip unter Druck steht, gilt die schottische Regierungspartei SNP als europafreundlich. Sie kritisiert den Konfrontationskurs Großbritanniens. "Wir wären ein konstruktiver Partner in Europa", findet Salmond.

Da ein Großteil der Schotten die EU unterstützt, könnten ausgerechnet die Rechtspopulisten sowie der europaskeptische Flügel der regierenden Tories den Unabhängigkeitsbefürwortern Schützenhilfe leisten. "Das Ergebnis der Europawahl hat große Auswirkungen auf Schottland", sagte Michael Shackleton, ehemaliger Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Großbritannien, vor einigen Wochen dieser Zeitung.

Die politische Kultur sei eine andere: "Für die Schotten ist der Aufstieg von Ukip in England sehr beunruhigend", so Shackleton. "Das Vereinigte Königreich führt eine konfrontative, in die Isolation führende Beziehung zu Europa", erklärt Toni Giugliano, einer der Koordinatoren der Ja-Kampagne. Die SNP wolle aber unbedingt Teil der EU bleiben.

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