Konflikt Heftige Gefechte in der Ostukraine

Kiew/Berlin · In der umkämpften Ostukraine haben prorussische Separatisten offenbar erneut ein Team von OSZE-Beobachtern in ihre Gewalt gebracht.

 Mindestens 40 Menschen sind bei den Gefechten in Donezk ums Leben gekommen. Foto: Maxim Shipenkov

Mindestens 40 Menschen sind bei den Gefechten in Donezk ums Leben gekommen. Foto: Maxim Shipenkov

Foto: DPA

Die vier Männer würden von bewaffneten Separatisten festgehalten, teilte der dänische Handel- und Entwicklungsminister Mogens Jensen der Nachrichtenagentur Ritzau mit.

Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war die Gruppe zwischen Donezk und Lugansk unterwegs, als der Kontakt am Montagabend abriss.

Die OSZE hatte am Dienstag nach eigenen Angaben noch kein Lebenszeichen von den vier Beobachtern aus der Schweiz, Dänemark, Estland und der Türkei. Das Team sei auf dem Rückweg von einer Patrouillenfahrt an einem Checkpoint aufgehalten worden, sagten mit der Mission vertraute Kreise. Es gebe bisher weder zu den Separatisten noch zu den Festgehaltenen einen direkten Kontakt. Man gehe aufgrund von indirekten Informationen davon aus, dass die Teammitglieder nicht in Lebensgefahr seien. Forderungen seien bisher nicht gestellt worden, hieß es. Es sei nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Beobachtermission festgehalten würden, aber es habe noch nie so lange gedauert, hieß es.

Für die Organisation sind derzeit 282 Beobachter in der Ukraine im Einsatz und sammeln Fakten zur Sicherheitslage. Ende April waren internationale Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, von Separatisten in Slawjansk tagelang als Geiseln festgehalten worden.

ARD und ZDF ziehen vorerst ihre Teams aus Donezk ab, weil sich die Sicherheitslage in der Ostukraine innerhalb von 24 Stunden "enorm verschlechtert" habe. Die Berichterstattung bleibe aber von anderen Orten aus gewährleistet, teilten WDR und ZDF am Dienstag mit. Laut Auswärtigem Amt seien Medienvertreter besonders gefährdet, von separatistischen Kräften festgehalten zu werden.

In Brüssel kamen am Dienstagabend die europäischen Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Abendessen zusammen, um über Konsequenzen aus der Europawahl vom Wochenende und über die Ukraine-Krise zu beraten.

Heftige Gefechte mit zahlreichen Toten gab es vor allem im Gebiet der ostukrainischen Großstadt Donezk. Der Flughafen der Millionenstadt wurde nach Angaben der Regierung in Kiew nach schweren Kämpfen mit prorussischen Aufständischen zurückerobert. Bürgermeister Alexander Lukjantschenko sprach von mindestens 40 Toten. Im benachbarten Gebiet Lugansk sei ein Ausbildungslager der "Terroristen" mit einem Luftangriff zerstört worden, teilte der ukrainische Innenminister Arsen Awakow mit.

Der neue prowestliche Präsident Petro Poroschenko hatte gleich nach seiner Wahl am Sonntag eine Verschärfung der "Anti-Terror-Operation" gegen die Separatisten angekündigt. Gleichzeitig bot er einen Dialog mit Moskau an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama gratulierten dem Unternehmer Poroschenko telefonisch zu seinem Wahlsieg. Merkel habe das Ergebnis der Wahl als klares Bekenntnis zur Einheit des Landes gewertet, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Nun gehe es vor allem darum, die Versöhnung weiter voranzutreiben.

Obama sagte dem Wahlsieger die Unterstützung der USA zu. Als wichtig für die Ukraine bezeichnete er die rasche Umsetzung von Reformen und die Entwicklung einer stabilen Wirtschaft mit einem attraktiven Investitionsklima.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die Ukraine dazu auf, den Militäreinsatz gegen die Bevölkerung im Osten sofort zu beenden. Die Gewalt müsse nach dem Wahlsieg Poroschenkos umgehend aufhören, forderte Lawrow.

Im Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine sind die Positionen weiter verhärtet. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Moskau eine "unkonstruktive Haltung" vor und drohte mit einer Klage beim Internationalen Schiedsgerichtshof.

Bei Krisen-Gesprächen unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Berlin hatte es am Montag keine Einigung gegeben.

Russland will erst über mögliche Rabatte verhandeln, wenn die Ukraine einen Teil ihrer Schulden von inzwischen 3,5 Milliarden US-Dollar begleicht. Kiew soll das Geld bis Ende der Woche überweisen. Ansonsten will Gazprom von kommender Woche an nur noch gegen Vorkasse liefern. Die Ukraine ist ein wichtigstes Transitland für Gaslieferungen in die EU.

Aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) muss der Gasstreit deutschen Verbrauchern noch kein Kopfzerbrechen bereiten. Wie viele westeuropäische Staaten kann die Bundesrepublik einen möglichen Stopp russischer Erdgaslieferungen durch die Ukraine verkraften, hieß es in einer Studie im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Es gebe ausreichend Reserven und Lieferwege um die Ukraine herum.

Nach DIHK-Schätzung kostet die Ukraine-Krise mit Exportausfällen nach Russland die deutsche Wirtschaft mindestens fünf Milliarden Euro an Umsatz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort