Grüne gelassen vor Kandidaten-Duell für Europa-Wahlliste

Dresden · Die Grünen starten in einen turbulenten Parteitag. Die Spitzenkräfte für die Europawahl werden am Samstag per Kampfabstimmung gewählt. Jüngere machen den Altvorderen Konkurrenz. Fest steht: Der Generationswechsel geht weiter.

 Parteitagsbühne der Bündnis 90/Die Grünen in Dresden. Foto: Peter Endig

Parteitagsbühne der Bündnis 90/Die Grünen in Dresden. Foto: Peter Endig

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Die Grünen geben sich vor der Kampfabstimmung über ihre Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai betont gelassen. Parteichef Cem Özdemir begrüßte das Duell um die prestigeträchtigen vordersten Plätze auf der Wahlliste.

Der Wettbewerb der Kandidaten schade nicht und gehöre zur Demokratie, sagte Özdemir am Freitag vor Beginn des Europa-Parteitags der Grünen in Dresden: "Es gibt keine Erbhöfe." Am Ende werde eine starke Kandidatenliste stehen, um die andere Parteien die Grünen beneiden würden. Co-Parteichefin Simone Peter sprach von einer guten Mischung aus Erneuerung und Erfahrung: "Auswahl ist keine Schwäche, das ist eine Stärke unserer Partei."

Hintergrund ist, dass die bisherige Chefin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms (57), um ihren Platz als Spitzenfrau fürchten muss. Gegen die einstige Gorleben-Aktivistin tritt an diesem Samstag die Europaabgeordnete und Vertreterin der Grünen Jugend, Ska Keller (32), an. Um den wichtigen Listenplatz zwei wiederum muss Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer (61) bangen. Der jetzige Vorsitzende der Europäischen Grünen konkurriert hier mit dem Europa-Abgeordneten und Finanzexperten Sven Giegold (44).

Bütikofer will aber nur dann für Platz zwei kandidieren, wenn Keller sich als Spitzenfrau durchsetzt. Giegold hingegen tritt nur dann als Gegenkandidat an, sollte Harms sich auf Platz eins behaupten.

Bütikofer wird vor allem das Debakel bei den europaweiten Online-Vorwahlen über die europäischen Spitzenkandidaten der Grünen angelastet. An der Abstimmung per Handy und Internet hatten sich EU-weit nicht einmal 23 000 Bürger beteiligt. Hier hatte Ska Keller gewonnen. Sie erhebt damit den Anspruch, auch Frontfrau der deutschen Grünen bei den Europawahlen zu werden.

Die Europawahlen sind ein erster Stimmungstest für die Grünen nach der Schlappe bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst. Die Partei will grüne Kernthemen wieder in den Vordergrund stellen. Bei der Abstimmung über das Europaparlament am 25. Mai hofft die Partei wieder auf ein zweistelliges Ergebnis. Bei der Bundestagswahl Ende September waren die Grünen bei nur 8,4 Prozent gelandet, bei der Europawahl 2009 hatten sie 12,1 Prozent erreicht.

In Dresden stimmen die Delegierten auch über das Europa-Wahlprogramm ab. Zum Entwurf der Parteiführung lagen zuletzt 600 Gegenanträge vor. Größere Debatten werden unter anderem zur Außenpolitik sowie zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA erwartet. Peter warnte, das Freihandelsabkommen drohe europäische Standards auszuhebeln: "Wenn ein Zug auf dem falschen Gleis fährt, dann sollte man ihn besser anhalten und die Weichen neu stellen." Die Verhandlungen sollten besser ausgesetzt und neu gestartet werden, forderte Peter.

Mit Blick auf die euro-kritische Partei AfD und den Europa-Kurs der CSU warf die Grünen-Chefin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, nicht die Autorität ihres Amtes zu nutzen, um Populisten in die Schranken zu weisen: "Dabei dürfen wir Europa nicht den Salon-Nationalisten der AfD überlassen und auch nicht irgendwelchen Sprücheklopfern aus Bayern." Özdemir forderte Merkel auf klarzumachen, wo sie Europa in 20 Jahre sehe. Die Kanzlerin habe keine Idee vom geeinten Europa: "Angela Merkel sagt einfach nichts."

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