Kommentar zum Türkei-Referendum Gespaltenes Land

Meinung | Istandbul · Die Türkei steht vor einer Grundsatzentscheidung. Bisher hat keiner der beiden Gruppen eine klare Mehrheit.

 Famile Celik aus dem Ort Ergani in der Türkei präsentiert ihre im Januar geborene Tochter, die sie Evet genannt haben. Evet ist das türkische Wort für „Ja“. Die Familie wird beim Referendum am 16. April für ein Präsidialsystem in der Türkei stimmen.

Famile Celik aus dem Ort Ergani in der Türkei präsentiert ihre im Januar geborene Tochter, die sie Evet genannt haben. Evet ist das türkische Wort für „Ja“. Die Familie wird beim Referendum am 16. April für ein Präsidialsystem in der Türkei stimmen.

Foto: dpa

Ein gespaltenes Land steht vor einer Grundsatzentscheidung: Vor dem Verfassungsreferendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei an diesem Sonntag haben weder Befürworter noch Gegner der Reform eine klare Mehrheit. Die Umfragen lassen ein sehr knappes Ergebnis für oder gegen den Plan von Präsident Recep Tayyip Erdogan erwarten. Allein diese Tatsache sollte der Regierung in Ankara zu denken geben.

Denn im Wahlkampf hatten Erdogan und seine Unterstützer alle Trümpfe in der Hand. Die meisten Medien feierten den Präsidenten, im Fernsehen kam die Opposition kaum zu Wort. Dass viele Türken kurz vor dem Wahltag dennoch nicht von Erdogans Plan überzeugt sind, spricht Bände. Selbst in der AKP herrscht keine große Begeisterung für eine Schwächung des Parlaments und eine Konzen-tration weitreichender Machtbefugnisse in der Hand eines Mannes. Selbst wenn Erdogan gewinnt, wird es ein kein strahlender Sieg sein. Er wird einen Umbau des Staates ohne breiten Konsens der Bürger durchgesetzt haben.

Sollte sich das „Nein“ durchsetzen, sind erst recht politische Turbulenzen zu erwarten. Erdogan hätte die entscheidende Wahlschlacht verloren. Neuwahlen mit dem Ziel, das Präsidialsystem mit einer vergrößerten AKP-Mehrheit im Parlament durchzusetzen, wären für ihn ein Risiko. Kritiker befürchten, dass der Präsident die gesellschaftlichen Gegensätze weiter verschärfen könnte, um nationalistische Wähler für sich zu gewinnen. Für das Ausland bedeutet die Lage, dass die Türkei ein unberechenbarer Partner bleiben wird.

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