Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch Gemischtes Doppel

BERLIN · Vielleicht sollten Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht doch einmal in der Bergpredigt nachblättern, so, wie es Gregor Gysi im Sommer 2012 getan hat.

 Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

Foto: dpa

Der Fraktionsvorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion war da für seine Rede an den Göttinger Bundesparteitag auf folgenden Satz gestoßen: "Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen." Gysi fand es damals an der Zeit für ein Gebet, weil der seit drei Jahren heillos zerstrittenen Partei Die Linke die Spaltung drohte. Wie gnadenlos sich die Genossen bekämpften, sprach Gysi unverblümt aus: "In unserer Fraktion im Bundestag herrscht auch Hass."

Inzwischen tritt die Fraktion wieder deutlich ruhiger, offenbar so geordnet, dass der langjährige Frontmann der Linken es tatsächlich wagen kann, Mitte Oktober den Vorsitz der Bundestagsfraktion auf- und an die Doppelspitze Bartsch und Wagenknecht abzugeben. Gestern folgte denn auch der geschäftsführende Parteivorstand "einstimmig" der Empfehlung der beiden Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping, den Realpolitiker Bartsch und die ehemalige Frontfrau der Kommunistischen Plattform, Wagenknecht, ab Oktober an die Spitze der Bundestagsfraktion zu stellen.

Doch auch wenn Riexinger jetzt beteuert, Kipping und er hielten ihren Personalvorschlag für Bartsch und Wagenknecht "in der Tat für die beste Lösung", so ist das Verhältnis zwischen Riexinger und Bartsch wie auch das zwischen Wagenknecht und Bartsch nicht unbelastet. Vor dem Göttinger "Bergpredigt"-Parteitag mit Gysis letztem Appell an den Zusammenhalt der Linken rumste es merklich hinter den Kulissen. Bartsch griff seinerzeit - wie auch der West-Gewerkschafter Riexinger - nach dem Parteivorsitz. Doch Oskar Lafontaine, Gründungsvater der gesamtdeutschen Linken, verhinderte damals unter Hilfe von Wagenknecht die erfolgreiche Kandidatur des Reformers Bartsch. Riexinger gewann die Wahl mit 53,1 Prozent der Stimmen gegen Bartsch (45,2 Prozent).

So ist Riexinger auch keine übergroße Freude anzumerken, dass Bartsch es im Herbst gemeinsam mit Wagenknecht wohl an die Spitze der Bundestagsfraktion schafft. Skepsis ist rauszuhören, wenn Riexinger und auch Kipping beispielsweise sagen, sie hätten die Hoffnung, "dass es gelingt, die Fraktion des Gemeinsamen aufzustellen", und dass die Fraktion auch "integriert" werden müsse. Die Linke habe mitnichten nur zwei Flügel. "Wir sind eine linkspluralistische Partei", betont Riexinger, der auf Nachfrage angibt, er und Bartsch hätten "ein gutes Verhältnis".

Der 57-jährige Bartsch, Wirtschaftswissenschaftler mit Promotion (1990) an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Moskau, hat in der heutigen Linken und ehemaligen PDS einen Weg mit Hindernissen hinter sich. Schon im April 2000 beim Parteitag in Münster lieferte sich Bartsch eine heftige Auseinandersetzung um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit mit der "Kommunistischen Plattform" - und ihrer damaligen Wortführerin Wagenknecht. 2002 zog er sich nach einem Wahldebakel aus dem PDS-Vorstand und vom Posten des Bundesgeschäftsführers zurück. 2005 zog er wieder in den Bundestag ein. Dass Bartsch bald mit der 45-jährigen Wirtschaftswissenschaftlerin Wagenknecht gemeinsam die Fraktion führen soll, birgt wegen der gelebten Konkurrenz zwischen beiden eine gewisse Sprengkraft. Vielleicht greifen sie eines Tages doch noch zur Bergpredigt.

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