Korruption im Vatikan Geldwäsche-Affäre zieht immer weitere Kreise

Rom · Wie freiwillig Generaldirektor Paolo Cipriani und sein Stellvertreter Massimo Tulli ihre Ämter bei der Vatikanbank abgelegt haben ist fraglich. Fest steht: Mittlerweile gilt eine Schließung der Vatikanbank als nicht mehr abwegig.

Rücktritt aus freien Stücken, so lautet die offizielle Version. Die zuständige Kardinalskommission und der Aufsichtsrat hätten diese Entscheidung akzeptiert. Doch wie freiwillig Generaldirektor Paolo Cipriani und sein Stellvertreter Massimo Tulli ihre hohen Ämter bei der Vatikanbank abgelegt haben, ist derzeit Gegenstand von Spekulationen in Rom. "Nach vielen Jahren im Dienst haben beide entschieden, dass dieser Akt im Interesse des Geldinstituts und des Heiligen Stuhls ist", so formulierten es die Mitarbeiter der Pressestelle des Vatikans.

Am Montagabend hatte die Nachricht vom Rücktritt der beiden Direktoren des "Instituts für die religiösen Werke" (IOR) die Runde gemacht. Präsident Ernst von Freyberg habe die Ämter vorübergehend übernommen. Drei Tage zuvor war der ehemalige Rechnungsprüfer der Immobilienverwaltung des Heiligen Stuhls, Nunzio S., festgenommen worden. Gegen ihn wird unter anderem wegen Korruption und Betrug ermittelt, auch der Verdacht auf Geldwäsche steht im Raum. Der hohe Vatikanmitarbeiter soll versucht haben, auf illegalem Weg 20 Millionen Euro Bargeld mit ihm befreundeter Geschäftsleute aus der Schweiz nach Italien über mehrere Konten der Vatikanbank transferieren zu lassen.

Bislang hatte der Vatikan empfindlich auf Ermittlungen italienischer Staatsanwälte reagiert. Doch diesmal kündigte ein Sprecher die "volle Zusammenarbeit" mit der Ermittlungsbehörde an. Einige Beobachter vermuten, die Einrichtung einer Untersuchungskommission durch Papst Franziskus vergangene Woche stünde im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen. Die Kommission soll für den Papst die Geschäfte der Vatikanbank bis ins Detail durchleuchten. Angesichts der internen und externen Ermittlungen gilt sogar eine Schließung der Bank nicht mehr als abwegig.

Wie aus von der Staatsanwaltschaft abgehörten Telefongesprächen hervor geht, pflegte der inhaftierte Geistliche beste Kontakte in die Spitze des ominösen Geldinstituts, das seit Jahrzehnten im Verdacht steht, illegale Geschäfte zu decken. Mit Massimo Tulli war Nunzio S. per Du, auch zu Generaldirektor Cipriani hatte er einen ausgezeichneten Draht. Auch gegen Tulli und Cipriani wird nach Informationen ermittelt. Erneut erschüttert der Verdacht auf Geldwäsche im großen Stil die Spitze der Vatikanfinanzen.

Diese Vermutung ist nicht neu. 2010 ließen italienische Staatsanwälte 23 Millionen Euro beschlagnahmen. Der frühere Direktor Ettore Gotti Tedeschi sowie Generaldirektor Paolo Cipriani hätten gegen Antigeldwäsche-Vorschriften verstoßen, hieß es bereits damals. Während die Ermittlungen gegen Tedeschi vor der Einstellung stehen, droht Cipriani und seinem Vize ein Prozess. Cipriani galt als Schlüsselfigur im IOR und soll Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nahestehen, der die Geschäfte im IOR indirekt lenkt, weil er Vorsitzender einer Kardinalskommission ist, die Präsidium und Aufsichtsrat der Bank ernennt. Cipriani lag mit seinem früheren Chef Gotti Tedeschi im Streit. Rückendeckung bekam er jüngst von Tedeschis Nachfolger, dem Deutschen Ernst von Freyberg. Von Freyberg war kurz nach dem Rücktritt Benedikt XVI. auf Initiative von Kardinalstaatssekretär Bertone nominiert worden. Franziskus hat ihn bislang nicht zur Audienz empfangen. Nicht wenige vermuten, dass auch die Tage des Deutschen an der Spitze der Vatikanbank gezählt sein könnten.

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