Prozess um Haftung von Politikern Gefängnis bleibt Markus Söder wohl erspart

Luxemburg · Ein Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof behandelt die Frage, ob Politiker und Beamte sich einfach über Gerichtsurteile hinwegsetzen dürfen. Dieser dreht sich vor allem um Markus Söder, der eine Warnung nach Luxemburg schickte.

 Er schickte eine Warnung nach Luxemburg: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

Er schickte eine Warnung nach Luxemburg: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

Foto: dpa

Der bayerische Ministerpräsident gab sich unaufgeregt. „Wir sehen das gelassen, rechtlich und tatsächlich“, sagte Markus Söder (CSU) am Dienstag in München. Parallel dazu hatte in Luxemburg gerade ein Verfahren begonnen, das im schlimmsten Fall mit Beugehaft gegen den Regierungschef an der Isar enden könnte. Denn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird die Frage verhandelt, ob führende Politiker und staatliche Beamte für ihre Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden können.

Auslöser des Streits ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts München von 2012, das Dieselfahrverbote im Kampf gegen mit Schadstoffen belastete Luft ausdrücklich erlaubte. Doch die bayerische Staatsregierung ignorierte den Spruch. Der EuGH selbst hatte 2014 nachgelegt und in einem Urteil die Mitgliedstaaten verpflichtet, „jede erforderliche Maßnahme zu erlassen“, damit die europäische Richtlinie zur Luftreinhaltung eingehalten wird. Gehört die Zwangshaft – auch als Beugehaft bezeichnet – dazu?

„Die Deutsche Umwelthilfe möchte keinen Politiker ins Gefängnis bringen“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch gestern zum Auftakt des Verfahrens. Und es werde vermutlich auch kein Politiker in Deutschland in Haft genommen. Aber die Androhung sei eben doch nötig, wenn sich führende Vertreter des Staates über geltende Gesetze hinwegsetzen. Das ist der Punkt, um den es geht. Ministerpräsident Söder hatte ein Fahrverbot in der bayerischen Landeshauptstadt nämlich mit den Worten „Bayern ist Autoland. Wir sind deshalb gegen Fahrverbote“ abgelehnt. Ein Bußgeld in Höhe von zwei Mal 4000 Euro bezahlte die Staatsregierung. Die Verteidiger von Diesel-Fahrverboten halten dies für einen Witz – nicht nur wegen der geringen Höhe, sondern weil solche Bußgelder in die Staatskasse fließen: Das Landesjustiz- oder Finanzministerium überweist den Betrag an sich selbst.

Auch den baden-württembergischen Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) und dessen Stellvertreter, Innenminister Thomas Strobl (CDU), sowie Stuttgarts Regierungspräsident Wolfgang Reimer haben die Kläger im Visier. Aus deren Sicht haben die drei Politiker verhindert, dass in der baden-württembergischen Lan-deshauptstadt Fahrverbote eingerichtet werden. Somit würden die überhöhten Stickoxidwerte nicht konsequent und schnell genug gesenkt.

Als die DUH vor einigen Monaten erneut vor dem bayerischen Verwaltungsgericht klagte, hatten die dortigen Juristen genug und baten den EuGH zu klären, ob Zwangshaft gegen Amtsträger ein legitimes Mittel sei könnte, um die EU-Grenzwerte durchzusetzen.

Söder selbst schickte eine Warnung nach Luxemburg. Sollte das Gericht dem Antrag folgen, hätte dies weitreichende Konsequenzen für alle Beamten in Deutschland. Denn dann würde wohl kein Staatsdiener mehr eine Entscheidung treffen, da immer persönliche Auswirkungen befürchtet werden müssten. Ganz so einfach wäre es wohl nicht: Beugehaft gegen Amtsträger ist im deutschen Recht bislang nicht vorgesehen. Sie müsste von der Bundesregierung und dem Bundestag eingeführt werden.

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