Kommentar zum Wahlkampf von Martin Schulz Flucht nach vorn

Meinung | Berlin · Im persönlichen Vergleich mit Kanzlerin Angela Merkel sieht es für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schlecht aus. Daher tritt er nun die Flucht nach vorn an, kommentiert GA-Korrespondentin Eva Quadbeck.

 SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.

Foto: dpa

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist im Wahlkampf in die Defensive geraten. Alle seriösen Umfrageinstitute sehen die SPD weit hinter der Union. Im persönlichen Vergleich mit Kanzlerin Angela Merkel sieht es für Schulz noch schlechter aus. Daher tritt er nun die Flucht nach vorn an. Er macht die Flüchtlingsfrage zum Wahlkampfthema und greift die Kanzlerin an ihrem wunden Punkt an.

Ohne Risiko ist das Manöver auch für Schulz nicht. Der SPD-Kanzlerkandidat hat völlig Recht, dass das Problem des wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms, der an der italienischen Küste anlandet, nur europäisch gelöst werden kann. Angesichts der humanitären Katastrophe an und vor Europas südlicher Küste besteht dringender Handlungsbedarf. Dennoch wird Schulz mit seinem Besuch in Rom in dieser Woche nichts ausrichten können.

Schulz hat kein Regierungsamt, das ihm das Mandat verleihen würde, mit Italien oder anderen Europäer Vereinbarungen zu treffen. Er kann den Italienern auch keine Finanzhilfen versprechen, auf die diese bei ihren europäischen Partnern drängen. Zudem hat die Bundesregierung ja mehrfach versucht, in Europa für die humanitäre Behandlung der Flüchtlinge und die solidarische Verteilung der daraus entstehenden Lasten eine Koalition der Willigen zu schmieden, wie sie Schulz nun fordert. Doch die anderen machen nicht mit – auch nicht mit finanziellen Anreizen.

Schulz liegt im Übrigen auch mit seinem Hinweis richtig, dass die Kanzlerin Anfang September 2015 einen Fehler beging, als sie die europäischen Nachbarn nicht in ihre Entscheidung einbezog, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge über Österreich nach Deutschland einreisen zu lassen. Dieser Fehler ist aber nicht die Ursache dafür, dass es bislang nicht gelungen ist, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik auf die Beine zu stellen.

Unabhängig davon, ob Schulz das Thema Flüchtlinge im Wahlkampf weiter spielt, bleibt es für Merkel das Verliererthema. Dafür sorgt vor allem CSU-Chef Horst Seehofer, wie er an diesem Wochenende erneut eindrucksvoll zeigte. Er befeuerte den Konflikt um die Obergrenze so wortreich, dass der Streit der Union wieder einmal schaden dürfte. Bei diesem Thema gelingt es den Schwesterparteien einfach nicht, den Deckel zu schließen.

Seehofers Kalkül: Je mehr Stimmen die CSU für einen Unionswahlsieg beiträgt und je schwächer Merkel im Vergleich dasteht, desto bessere Argumente hat Seehofer bei einer Regierungsbildung für seine Obergrenze. Der CSU-Chef beachtet aber nicht, dass diese Taktik am Ende nur bei der AfD einzahlt, während die Union an Reputation verliert. Auch für mögliche Koalitionsverhandlungen im Herbst ist die Obergrenze eine schwere Hypothek. Dagegen kann man frühere Streits getrost in der Abteilung Kindergeburtstag verbuchen.

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