Kommentar zu „Gelbwesten“ und „Rotschals“ Fehler im System

Meinung | Paris · Paris. „Gelbwesten“ und „Rotschals“ demonstrieren in Frankreich. Die einen stehen für Ausschreitungen, die anderen Kreiden diese an und fordern einen friedlichen Dialog. Dieser fehlt im politischen System Frankreichs, findet unsere Autorin.

 Ein Demonstrant mit rotem Schal in Paris. Foto: AP

Ein Demonstrant mit rotem Schal in Paris. Foto: AP

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Gerne verweist man mit einem Augenzwinkern auf den geschichtlich belegten Hang der Franzosen, Revolutionen anzuzetteln. Tatsächlich liefern sie im Moment auf beeindruckende Art den Beweis für ihre berüchtigte Bereitschaft, für ihre Rechte, Forderungen oder bestimmte Werte auf die Straße zu gehen, indem sie Woche für Woche trotz Wind, Regen und Kälte mehr Mitsprache einfordern.

Die Gewalt-Exzesse, welche die Demonstrationen der „Gelbwesten“ von Anfang an begleiteten, sind erschütternd – aber sie verdecken das Bedürfnis vieler, sich bei den Herrschenden Gehör zu verschaffen. Genau das treibt nun die „Rotschals“ an, die gegen brutale Ausschreitungen bei Kundgebungen demonstrieren, aber auch für Dialog und demokratischen Austausch der Ideen.

In der Tat ist für ihn zu wenig Platz im zentralistisch organisierten Frankreich, wo die Wähler zwar alle fünf Jahre über ihren Präsidenten abstimmen dürfen, dann aber den Eindruck haben, ihn und seine Entscheidungen nur noch erdulden zu müssen. Die Verfassung sichert dem Staatschef in Frankreich eine so starke Stellung, dass er selten auf Koalitionen und die Suche nach Kompromissen angewiesen ist. Jede Entscheidung kann er mit dem Argument rechtfertigen, demokratisch gewählt worden zu sein.

Dieses Problem ist seit langem dem System geschuldet. Es hat sich aber unter Macron verstärkt, der seine Reformen pragmatisch-effizient durchziehen wollte, um schnelle Resultate zu erreichen. Doch er vergaß, ihren Sinn zu vermitteln und sie sozial auszugleichen. Nun kommt es darauf an, das schleunigst nachzuholen. Er hat gerade erst angefangen – möglicherweise zu spät, um die Menschen noch zu überzeugen.

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