Facebook, Google & Co.: Digitale Entdecker

Wo leben wir, was wissen wir, wer sind wir, wie verhalten wir uns? Diese Fragen treiben die Menschheit seit Jahrtausenden um. Als Christoph Kolumbus ab 1492 die neue Welt entdeckt, ändern sich nicht nur die Weltkarten.

Das historische Ereignis revolutioniert das Bewusstsein dafür, welch ungeheure Möglichkeiten die Erde bereithält. Aus Spanien, Portugal, England brechen Abenteurer auf, die neuen Landmassen zu erkunden, zu erobern, zu besiedeln. Völlig neue Handelswege entstehen.

Die heutigen Entdecker heißen Google, Wikipedia und Facebook. Länder, Städte, einzelne Gebäude bis hin zu Grundrissen - in nie gekannter Detailtreue bildet Google Earth unseren gesamten Globus digital ab. Totale Transparenz der äußeren Welt ist das Ziel. Touristen können mit einem Mausklick feststellen, ob das Urlaubshotel tatsächlich direkt am Strand liegt, Wohnungssuchende wissen sofort, welche Kneipen, Schulen oder Geschäfte in der Nähe sind. Ob vom Satelliten aus oder mit der Webcam: Es wird nicht mehr lange dauern, bis jede Veränderung in Echtzeit einfließt. Big Brother? Oder ein großer Fortschritt?

Als der deutsche Historiker Johannes Aventinus 1517 eine systematische Darstellung der Wissenschaften in der ersten gedruckten "Encyclopedia" veröffentlicht, will er damit eigentlich nur seinem Bruder beim Studium helfen. Doch das Bedürfnis, Wissen zu sammeln und zu speichern, ist universal. Wikipedia heißt heute das globale Projekt dafür. Eine Vorstellung, von der Bildungspolitiker früher nicht zu träumen wagten: Ein Fingertipp auf dem Handy-Display öffnet den kostenlosen Zugang zum gesammelten Wissen dieser Welt.

Facebook will nicht so sehr die äußere Welt oder das Wissen, sondern die Menschen erfassen, ihr Verhalten, ihr Leben. Das dritte digitale Projekt von globaler Dimension ist deshalb zugleich das umstrittenste. "Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein. Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen - die Welt offener und vernetzter zu machen", sagt Facebook-Gründer Marc Zuckerberg. Wenn sich die Erfassung des interaktiven Lebenslaufs "Chronik" durchsetzt, entstehen Milliarden digitaler Autobiografien von Menschen aus aller Welt. Nachzulesen vielleicht von Angehörigen und Wissenschaftlern in ferner Zukunft.

Google, Wikipedia, Facebook - das sind drei Projekte von historischer Bedeutung. Ihr Ziel ist nichts weniger als die gesamte Welt, unsere Geschichte, unser Wissen und uns Menschen digital zu erfassen - und auf diese Weise eben auch zu verbinden, zugänglich und nutzbar zu machen. Die Vorteile sind unübersehbar. Gerade eine Kommerzialisierung erhöht aber auch die Gefahr von Missbrauch. Das war schon bei den alten Konquistadoren, die Kolumbus folgten, nicht anders.

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