„London muss sich entscheiden“ EVP-Chef Weber fordert Klarheit im Brexit-Streit

Brüssel · Harter oder weicher Brexit – worauf läuft es hinaus? Mit EVP-Chef Manfred Weber sprach Eva Quadbeck über die Brexit-Verhandlungen und die Kandidatur von Katarina Barley.

Steuern wir auf einen harten Brexit zu?

Manfred Weber: Das Risiko eines Scheiterns ist leider in den vergangenen Tagen nicht kleiner geworden. Es ist völlig offen, ob Theresa May für ein Abkommen mit der Europäischen Union im britischen Parlament und vor allem auch in ihrer eigenen Partei eine Mehrheit bekommt.

Wäre es sinnvoll, wie Chef-Unterhändler Michel Barnier es vorschlägt, die Zeit für Verhandlungen zu verlängern?

Weber: Michel Barnier macht einen ausgezeichneten Job für ganz Europa und vertritt die Interessen der Europäischen Union sehr gut. Klar ist aber auch, dass wir irgendwann zum Ende kommen müssen. Ein endloses Vertagen löst die Probleme nicht. Es braucht Klarheit vor den Europawahlen 2019. Von europäischer Seite liegen die Vorschläge auf dem Tisch: ein Freihandelsabkommen, die Zollunion oder Teilnahme am Binnenmarkt. London muss sich entscheiden.

Nicht nur Frau May in London muss sich Zustimmung für einen Brexit-Vertrag einholen. Welche Bedingungen müssen denn erfüllt sein, damit das Europäische Parlament zustimmt?

Weber: Ich kann alle nur warnen, dass der Austrittsvertrag nicht ohne das Europäische Parlament gemacht wird. Wir haben da eine klare Erwartungshaltung: Im Mittelpunkt stehen für uns und auch für meine Fraktion die Bürger. In Großbritannien leben drei Millionen Bürger der 27 anderen EU-Staaten. Sie müssen ihr Leben ohne extra Belastungen weiter führen können. Wichtig ist auch die Nordirland-Frage. Die Menschen dort haben die Sorge, dass die Zeiten der Unsicherheit zurückkommen könnten. Deswegen muss sichergestellt werden, dass es keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland gibt. Wir werden zudem nicht akzeptieren, dass die Ideen des Binnenmarkts durch den Brexit beschädigt werden. Die Freizügigkeit, wonach jeder EU-Bürger sich grundsätzlich niederlassen und arbeiten kann, wo er möchte, ist eine so wunderbare Errungenschaft, dass wir sie verteidigen werden.

Katarina Barley soll Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen Parteienfamilie für die EU-Wahl werden. Wie schätzen Sie sie ein?

Weber: Ich bin froh, dass die SPD die Europawahl ernst nimmt und ich freue mich auch auf den Wettbewerb – auch wenn Frau Barley bisher noch nicht als Europapolitikerin in Erscheinung getreten ist. Die Schlüsselfrage wird sein: Setzt die SPD im Wahlkampf weiter auf ein linkes Europa? Sozialdemokraten verlieren europaweit an Boden und liefern sich eher einen Wettbewerb mit Linkspopulisten. Seit dem Rücktritt von Martin Schulz ist die SPD als Europapartei leider nicht mehr in Erscheinung getreten.

Was wollen Sie?

Weber: Es muss klar sein, dass es keine Überdehnung der Europäischen Union geben darf, Stichwort Türkei. Wir müssen uns auf eine Steuerung und Begrenzung der Migration verständigen und wir brauchen mehr Schlagkraft in der internationalen Politik. Vor allem aber muss die EU zurück zu den Menschen gebracht werden.

Finanzminister Olaf Scholz möchte eine EU-Arbeitslosenversicherung installieren. Wie stehen Sie dazu?

Weber: Europa braucht keine neuen Umverteilungssysteme. Deswegen bin ich äußerst skeptisch gegenüber diesem Vorschlag.

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