Flüchtlingshilfe auf dem Mittelmeer Evangelische Kirche will Rettungsschiff einsetzen

Berlin · „Not hat keine Nationalität“: Die Evangelische Kirche in Deutschland will gemeinsam mit mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen ein eigenes Flüchtlingsrettungsschiff ins Mittelmeer schicken. Damit folgt die EKD einer Initiative ihrer eigenen Kirchenbasis.

 Einsatz für Menschen in Not: Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.

Einsatz für Menschen in Not: Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.

Foto: epd

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will zusammen mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen ein eigenes Flüchtlingsrettungsschiff ins Mittelmeer schicken. Das kündigte der Ratsvorsitzende der EKD, Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am Donnerstag vor Journalisten in Berlin an. In den nächsten Wochen solle dazu ein Trägerverein geschaffen werden. Man rechne mit Kosten im hohen sechsstelligen bis niedrigen siebenstelligen Eurobereich.

„Dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, ist ein Thema, das niemanden kaltlassen sollte, erst recht keine Christen“, sagte Bedford-Strohm. „Jeder Mensch ist geschaffen zum Bilde Gottes, deswegen hat Not keine Nationalität.“ Die EKD und die Diakonie wollten sich mit dem Rettungsschiff „exemplarisch“ für Menschen in Not einsetzen. Es sollten konkret Menschen gerettet werden, daher sei das Engagement im Mittelmeer nicht nur symbolisch.

Damit folgt die EKD einer Initiative ihrer eigenen Kirchenbasis. Denn der Anstoß für die Anschaffung des Schiffes war vom Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund ausgegangen. Dort hatten die Besucher in einer Resolution den Rat der EKD aufgefordert, ein Schiff ins Mittelmeer zu schicken. Dahinter stand unter anderem der Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne), der auch kurz vor der Entscheidung des Rates der EKD am vergangenen Wochenende in einem Mailing dazu aufgefordert hatte, Unterstützermails für das Projekt an die Ratsmitglieder zu verschicken.

Bedford-Strohm sagte dann auch am Donnerstag, dass er nie zuvor als Bischof so viel Post bekommen habe, die ihn dazu aufforderte, für ein Thema aktiv zu werden. Die Entscheidung des Rates sei aber völlig unabhängig davon gewesen. Ohnehin hat sich die EKD in den vergangenen Jahren vielfach für die Unterstützung der Bootsflüchtlinge ausgesprochen. So hatte die Kirche das Flugzeug „Moonbird“ der Organisation „Sea-Watch“, das von Malta aus nach Flüchtlingsbooten sucht, in den vergangenen Jahren finanziell unterstützt. Der Rheinische Präses Manfred Rekowski hatte es voriges Jahr auch auf Malta besucht.

Schreckliche Zustände in Libyen

Die Situation in Libyen wird so allerdings nicht verändert: Christoph Hey von der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ berichtete am Donnerstag davon, dass in den Flüchtlingslagern in Libyen „erschreckende, unmenschliche Zustände“ herrschten. Die Menschen litten unter sehr, sehr schlechter Nahrungsmittelversorgung, Krankheiten wie Tuberkulose breiteten sich aus. „Die Menschen dort sind mitunter mehrere Jahre auf der Flucht“, sagte Hey. Barbara Held, Einsatzleiterin der Organisation Sea-Eye, erklärte, die Menschen in Libyen hätten keine andere Wahl, als über das Mittelmeer zu flüchten. „Auf überfüllten Booten begeben sich die Menschen in eine extrem gefährliche Situation, aber die Hoffnung, diese Gefahr zu überleben, ist größer als die Aussicht, niemals der Falle der libyschen Internierungslager zu entkommen.“

In Europa müsse das „Geschachere um Menschenleben“ aufhören. Es müsse endlich ein Abkommen der EU-Innenminister zur Verteilung der geretteten Flüchtlinge geben. Als im Sommer vor Norwegen ein Kreuzfahrtschiff in Seenot gewesen sei, habe man auch nicht gefragt, ob man die Menschen an Bord retten solle. Zeitgleich sei vor Libyen ein Flüchtlingsschiff in Seenot gewesen, um dessen Insassen sich niemand gekümmert habe.

Unterstützung erhalten die EKD und der Verein „Seebrücke“ in Deutschland vor allem von der kommunalen Ebene: Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) berichtete von mehr als 90 Städten, die sich seit Herbst 2018 als „Sichere Häfen“ zur Aufnahme von Bootsflüchtlingen bereiterklärt hätten. 24 von ihnen hätten sich seit Juni einem in Potsdam gegründeten Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ angeschlossen. Es sei der Wille der Bürger der Städte, Flüchtlinge aufzunehmen. Dies könne man nicht ignorieren. „Uns geht es um ein vernünftiges Vorgehen und einen vernünftigen Umgang bei der Aufnahme von Flüchtlingen“, sagte Schubert.

Der SPD-Politiker kritisierte, dass das Bundesinnenministerium zwar die Bereitschaft der Städte zur Aufnahme von Bootsflüchtlingen gewürdigt habe, aber bislang keine konkreten Maßnahmen getroffen wurden. „Wir brauchen hier einen mit der kommunalen Ebene und den Ländern verhandelten konkreten Verteilungsschlüssel“, sagte Schubert. Scharf wies er Vorwürfe zurück, mit der Seenotrettung würde Rechtsbruch begangen: „Es wird für aus Seenot Gerettete keine anderen Asylverfahren geben, als für andere Menschen auch.“

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