Schlappe für Konservative Europakritiker legen in Großbritannien zu

LONDON · Der Anti-EU-Kurs von Premier David Cameron ist vielen noch zu zahm: Bei den Kommunalwahlen in England und Wales hat jeder Vierte jetzt für die britische Unabhängigkeitspartei UKIP gestimmt. Damit rückt das geplante Referendum zum EU-Austritt der Briten näher: Die konservative Regierung überlegt, den Termin der Abstimmung vorzuverlegen, um den Vormarsch der Protestpartei zu bremsen.

Während UKIP-Gründer Nigel Farage sich gestern gut gelaunt mit einem Pint Bier den Kameras präsentierte, war von konservativen Lokalpolitikern erst einmal wenig zu sehen. Hinter verschlossenen Türen mühten sie sich, Erklärungen zu finden für ein Debakel, das ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen hatte. 2000 Sitze in insgesamt 35 Gemeindevertretungen in England und Wales standen zur Wahl. Schon mittags, als die ersten elf Bezirke ausgezählt waren, hatten die Konservativen 109 Sitze und drei komplette Gemeinden verloren - die meisten an die rabiate Anti-EU-Partei UKIP.

Für die Polit-Außenseiter bedeutet das Ergebnis einen historischen Durchbruch: Vor vier Jahren hatten sie in keinem der Bezirke ein Mandat gewonnen, seit gestern feiert sie sich als drittstärkste Partei Großbritanniens. Mit 26 Prozent der Wählerstimmen sind sie die Kleinpartei, die seit dem Zweiten Weltkrieg den höchsten Zulauf verbuchen kann. "Wir sind die wahre Opposition", glaubt Farage, "die Leute haben es satt, in Westminster Politiker zu erleben, die alle gleich aussehen, das gleiche Zeug erzählen und noch nie einen echten Job im Leben gehabt haben." Der 49-Jährige ist Sohn eines Börsenmaklers und hat eine Ausbildung an englischen Privatschulen genossen.

Mit robuster Rhetorik zum EU-Austritt ist UKIP auch dieses Mal in den Kommunalwahlkampf gezogen - ein Thema, das schon die Gründung der Partei vor 20 Jahren inspiriert hat.

Furcht vor Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien hat den Rechtskonservativen dieses Jahr obendrein in die Karten gespielt. Doch nicht nur sozial Schwächere sehen sich von der UKIP besser vertreten. Selbst in den drei wohlhabenden Grafschaften Gloucestershire, Warwickshire und Lincolnshire haben die Tories verloren. In manchen Bezirken bekamen die Politrebellen so viel Zuspruch, dass sie nicht einmal genügend Kandidaten für alle offenen Ämter aufstellen konnten.

Die konservative Stadträtin Alexis McEvoy hat gestern nach Verlust ihres Mandats Premier Cameron in einem offenen Brief die Schuld an der Wahlschlappe gegeben: "Er denkt, dass konservative Werte irgendwie unschick sind und modernisiert oder abgelegt werden müssen. Das ist uns zum Verhängnis geworden."

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