EU-Fördergelder EU zahlt mehr als sechs Milliarden Euro zu viel

BRÜSSEL · "Die EU zahlt zu viel Geld für unberechtigte Forderungen", erklärte Vitor Caldeira, der Präsident des Europäischen Rechnungshofes, am Dienstag in Brüssel, als er den Jahresbericht 2012 vorstellte. Demnach sind 4,8 Prozent der Gelder, die die EU vergeben hatte, fälschlicherweise geflossen.

Die Tricks, mit denen sich Unternehmen, Organisationen und Landwirte lukrative EU-Fördergelder erschleichen, sind offenbar grenzenlos. Da werden von Brüssel geförderte Arbeitnehmer eingestellt, aber ohne Beachtung der Mindestbeschäftigungszeit wieder rausgeworfen. Beim Bau eines Seehafens zerstückelten die Betreiber große Beträge so lange, bis sie zu den EU-Vorgaben passten. Und die Kreativität osteuropäischer Bauern beim Erfinden nicht vorhandener Bebauungsflächen sprengt auch alle Vorstellungen.

Fazit: "Die EU zahlt zu viel Geld für unberechtigte Forderungen", erklärte Vitor Caldeira, der Präsident des Europäischen Rechnungshofes, am Dienstag in Brüssel, als er den Jahresbericht 2012 vorstellte. Demnach sind 4,8 Prozent der Gelder, die die EU vergeben hatte, fälschlicherweise geflossen. Das macht bei einem Jahresetat von 138,6 Milliarden Euro immerhin 6,6 Milliarden. Damit ist die Fehlerrate zum dritten Mal in Folge gestiegen.

Doch die Kritik des Hofes richtet sich nur zu einem Teil an die Verwaltung der Gemeinschaft. 80 Prozent der Fördergelder werden nämlich von den Mitgliedstaaten selbst verwaltet - und müssten auch von ihnen kontrolliert werden. Doch genau da gibt es massive Probleme. Und die Sünder sind immer die Gleichen, wie die Kommission selbst in einem Bericht für das Europäische Parlament vor wenigen Tagen feststellte: Spanien, Griechenland und Italien sind für 80 Prozent der festgestellten Falschzahlungen verantwortlich. Auffällig wurden dieses Mal auch Tschechien, Polen und Rumänien. Deutschland belegt mit einer Fehlerquote von 0,1 Prozent einen Spitzenplatz.

"Vieles ist zu kompliziert", ließ Caldeira behutsam Kritik anklingen. Aber er räumte auch ein, dass "Verschwendung, in einigen Fällen möglicherweise auch Betrug", im Spiel gewesen sein könnte. "Wenn eine Autobahn ohne Berücksichtigung der Verkehrserfordernisse" gebaut werde, könne sich niemand auf zu komplizierte Antragstellung berufen, heißt es in einem Papier des Rechnungshofes. Gleiches gilt wohl auch für einen Fall aus Brandenburg: Dort hatte sich sogar eine Zahlstelle für EU-Gelder selbst 2,2 Millionen als technische Hilfe bewilligt und anschließend Aufträge für ihr neues Computersystem nicht ordentlich ausgeschrieben. Vor allem in der Landwirtschaft (7,9 Prozent) und in der Strukturpolitik (6,8 Prozent) häuft sich die Vergabe von europäischen Subventionen, die gar nicht hätten fließen dürfen.

Der bisherige Rechtsrahmen biete nicht genügend Anreize für einen effizienteren Einsatz des zur Verfügung stehenden Geldes, kritisierte der Präsident des Rechnungshofes. Es müsse eine neue "Leistungskultur" geschaffen werden. Damit wird sich das Europäische Parlament wohl nicht zufriedengeben. Der CDU-Haushaltspolitiker Markus Pieper, Experte der konservativen Mehrheitsfraktion in der EU-Volksvertretung, dringt darauf, auch den südlichen Sorgenkindern der Union mehr Verantwortung für fehlerhafte Subventionierung zu übertragen und dann auch Strafen zu verhängen. Das könne, so erklärte Pieper, bis hin zum Stopp der Fördergelder gehen.

In einem ersten Schritt hat der Haushaltskontrollausschuss jetzt den spanischen Finanzminister vorgeladen. Er soll erklären, warum in seinem Land fast 58 Prozent der verteilten EU-Gelder nicht hätten ausgezahlt werden dürfen.

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