Interview mit dem EKD-Ratsvorsitzenden „Es spricht viel dafür, dass das Grab tatsächlich leer war“

Bonn · Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm kündigt an, dass die Christen in diesem Wahlkampfjahr ihre Positionen einbringen werden. Was die AfD angeht, hat er eine gezielte Meinung.

 Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Foto: picture alliance / dpa

Bischof Bedford-Strohm, was bedeutet Ihnen das Osterfest?

Heinrich Bedford-Strohm: Ostern ist das zentrale Fest der Christen: Christus ist auferstanden! Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das ist die große Hoffnungsbotschaft, die uns als Christen prägt und Menschen immer wieder aufs Neue im Innersten berührt.

Was heißt das für Sie konkret? War das Grab am Ostermorgen leer?

Bedford-Strohm: Es gibt viele historisch-kritische Argumente dafür, dass das Grab leer war. Zum Beispiel, dass tatsächlich eine Legende umging, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Das setzt voraus, dass da ein leeres Grab war. Oder dass sich kein Kult um ein bestimmtes Grab bildete – so wie bei Michael Jackson oder Elvis Presley. Dass das alles nicht der Fall war, spricht dafür, dass das Grab leer war. Auch dass die Osterbotschaft sich so schnell verbreitete, deutet darauf hin, dass in Jerusalem wirklich etwas Unerhörtes passiert ist. Aber am Ende ist der Glaube an die Auferstehung eben wirklich ein Glaube, der nicht durch DNA-Proben oder andere chemische Beweise erbracht werden kann.

Trotzdem ist das der Teil des Christentums, der zu glauben den meisten Menschen am schwersten fällt...

Bedford-Strohm: Umso wichtiger ist es, dass wir das mit großer Kraft predigen. Dass Menschen, die an die Auferstehung glauben, auch mit großer Überzeugung und Begeisterung davon sprechen. Denn der Glaube an die Auferstehung ist doch absolut zentral: Wenn man sich vorstellt, Christus wäre nicht auferstanden, dann müsste man ja sagen, dass ein wunderbarer und eindrucksvoller Mensch am Ende gescheitert ist. Er wäre am Kreuz gestorben, und das Gute und die Liebe hätten gegenüber der Gewalt und dem Nihilismus nicht das letzte Wort gehabt. Dass das nicht so war, können wir nur sagen, weil Christus auferstanden ist.

Was bedeutet der Osterglaube im 21. Jahrhundert ganz konkret?

Bedford-Strohm: Der Glaube an die Auferstehung gibt uns eine tiefe innere Kraft. Sie ist die Basis für eine Hoffnung und Zuversicht für unser persönliches Leben, und eine Welt, die niemand zerstören kann. Auch all die populistischen Kräfte, die im Hinblick auf das politische Leben derzeit Sorgen machen.

In der Kirche ist die Osternacht traditionell ein Termin für Taufen. In Deutschland betrifft das in den letzten Jahren auch viele Flüchtlinge, zum Beispiel aus dem Iran. Wie geht die Kirche mit solchen Taufen um?

Bedford-Strohm: Wir freuen uns über jeden, der sich taufen lässt! Und es ist wirklich so: Flüchtlinge, die erlebt haben, wie in der Flüchtlingshilfe aktive Christen ihren Glauben leben, haben sich dazu entschlossen, das, wovon die Christen reden, näher kennenzulernen. Deswegen gibt es an vielen Orten in Deutschland Taufunterricht. Das ist ein sehr langer und intensiver Prozess. Ein Unterricht, der besucht werden muss, eine sehr gründliche Vorbereitung. Aber unsere Erfahrung ist: Flüchtlinge, die sich taufen ließen, werden zu einer großen Bereicherung für die Gemeinden. Denn sie bringen einen anderen Horizont mit und sorgen für neues Leben in den Gemeinden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hingegen zweifelt solche Taufen an...

Bedford-Strohm: Die Berichte, die wir als Kirche über Glaubensprüfungen bei Flüchtlingen bekommen haben, haben uns große Sorge gemacht. Deswegen haben wir Gespräche mit dem Bundesamt geführt. Heute bin ich zuversichtlich, dass solche Prüfungen nicht mehr stattfinden werden. Auch das Bamf geht davon aus, dass sich Pfarrerinnen und Pfarrer vor einer Taufe davon überzeugen, dass die Menschen, die sie taufen, das auch wirklich ernst meinen.

Was bedeutet das für Fälle, die schon einen ablehnenden Bescheid erhalten haben?

Bedford-Strohm: In solchen Situationen müssen die Dinge auf dem Rechtsweg geprüft werden. Wir leben in einem Rechtsstaat. Aber auch hier gilt: Gerichte können keine Glaubensentscheidungen beurteilen. Das ist einzig Aufgabe des Pfarrers.

Anfang 2015 haben Sie mit dem BAMF eine Vereinbarung zum Kirchenasyl geschlossen. Damals wollte man enger zusammenarbeiten. Hat sich das bewährt?

Bedford-Strohm: Das hat sich grundsätzlich bewährt. Sehr viele Fälle, die zu Kirchenasyl führten, konnten aufgrund von zusätzlich erstellten Unterlagen, noch einmal überprüft werden. Oft führte das zu einer guten Lösung. In Bayern ist es allerdings so, dass der Staat jetzt Ermittlungsverfahren gegen inzwischen mindestens 17 Pfarrerinnen und Pfarrer eingeleitet hat, in deren Gemeinden Kirchenasyle stattfinden oder stattfanden. Dazu sage ich: Wir haben in Bayern insgesamt 65 Fälle von Kirchenasyl. Das ist eine im Verhältnis zu den Flüchtlingszahlen extrem geringe Zahl. Das Kirchenasyl wird immer eine Ultima Ratio bleiben. Deswegen verstehen wir die intensivierten Ermittlungsverfahren nicht.

Ist das ein Wahlkampfmanöver?

Bedford-Strohm: Ich will über die Motive nicht spekulieren. Aber ich halte es nicht für das Hauptproblem unseres Staates, dass Menschen sich mit hohem Einsatz und viel Empathie für Flüchtlinge engagieren. Wenn diese Menschen jetzt offenbar als Gefährdung des Rechtsstaats angesehen werden, muss man sich über die Verhältnismäßigkeit der Mittel Gedanken machen. Kirchenasyle sind für mich schlicht der Versuch, eine jahrhundertealte Tradition aufzugreifen, um unbotmäßige Härten abzuwenden.

Trotzdem wird das Flüchtlingsthema ja sicher im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen. Was erwarten Sie da von den Parteien?

Bedford-Strohm: Wir stehen vor der großen Aufgabe der Integration, die viele Menschen beschäftigt. Da will ich meinen großen Dank für all die Menschen zum Ausdruck bringen, die damit jeden Tag beschäftigt sind. Das gilt für die vielen Ehrenamtlichen in den Kirchengemeinden, die Sprachkurse geben. Es gilt für die Wirtschaft, die zahlreiche neue Arbeits- und Praktikumsplätze geschaffen hat. Hier hat es große Erfolge gegeben, über die man auch reden sollte. Allerdings werden solche Erfolge zunehmend durch Abschiebungen konterkariert. Arbeitserlaubnisse werden versagt, obwohl es Arbeitsplätze gibt. Hier muss die Politik Möglichkeiten finden, flexibler zu werden.

Können Flüchtlinge dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Deutschland zu lösen?

Bedford-Strohm: Ich denke nicht, dass die Flüchtlinge von heute schon gleich die Fachkräfte von morgen sind, sondern sie werden die Fachkräfte von übermorgen sein. Mein persönliches Beispiel ist ein Iraker, der meinen Vater im letzten Lebensjahr im Pflegeheim gepflegt hat. Der Mann hat eine Ausbildung zum Pflegehelfer erhalten, und ist unserer ganzen Familie zum Segen geworden. Ich wünsche mir, dass es viele solcher Beispiele gibt.

Das Thema Flüchtlinge wird sicher auch bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen. Wie gehen denn die Kirchen mit dem Wahlkampf um?

Bedford-Strohm: Wir werden uns nicht parteipolitisch äußern und werden uns von niemandem parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Aber dass die grundlegenden Orientierungen des christlichen Glaubens auch in dem zunehmenden Streit um die Gestaltung unseres Landes eine wichtige Rolle spielen müssen, ist aus meiner Sicht klar. Deswegen werden wir als Christen unsere Positionen in diesem Wahlkampfjahr einbringen. Und dabei gibt es bestimmte rote Linien: Hass, Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus sind unvereinbar mit dem christlichen Glauben.

Ganz konkret: Können Christen die AfD wählen?

Bedford-Strohm: Die AfD ist eine Partei, in der sehr unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten. Wer in dieser Partei aktiv ist, muss sich klar darüber sein, dass dort auch Einstellungen vertreten werden, die an nationalsozialistische Auffassungen erinnern. Wenn Stimmen in der AfD das Völkische rehabilitieren wollen, sollte das für alle Menschen, die so nicht denken, ein Weckruf sein. Denn wer sich nicht in aller Entschiedenheit davon distanziert, verleiht solchen Auffassungen Legitimität.

Wie meinen Sie das?

Bedford-Strohm: Nehmen Sie einmal die Äußerungen von Björn Höcke zum Holocaustmahnmal. Die Frage der Erinnerungskultur ist eine ganz zentrale Frage für die Identität unseres Landes. Wir Christen haben hierzu einen besonderen Zugang. In seiner ersten These hat Martin Luther 1517 festgehalten: „Unser Herr und Meister hat gesagt: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Deswegen soll das ganze Leben der Gläubigen Buße sein.“ Luther gibt da eine starke Grundorientierung, nicht nur für einen Einzelnen, sondern auch für ein Land. Wo ein Land Verbrechen begangen hat, muss auch klar sein, dass diese Verbrechen in aller Deutlichkeit angesprochen werden. Das unterscheidet das Christentum von einer verblendeten Identitätspolitik, die letztlich im Nationalismus endet.

Müssen Björn Höcke und Alexander Gauland Buße tun?

Bedford-Strohm: Die Äußerungen von Herrn Höcke zur Erinnerungskultur sind aus meiner Sicht skandalös gewesen, und widersprechen allem, was die Grundorientierung der evangelischen Kirche ausmacht.

Könnte so jemand noch Mitglied der evangelischen Kirche sein?

Bedford-Strohm: Nationalismus, der sich gegen andere wendet, ist unvereinbar mit dem christlichen Glauben.

Sie haben das Reformationsjubiläum ja schon angesprochen. Wann ist das Jubiläum eigentlich für Sie ein Erfolg?

Bedford-Strohm: Für mich ist es jetzt schon ein großer Erfolg. Die Resonanz ist über alle Maßen groß: So ist die Lutherbibel 2017 in einem Umfang verkauft worden, den vorher niemand erwartet hat. Das ist höchst erfreulich, weil es zeigt, dass ein Buch mit tiefen Grundorientierungen wie die Bibel heute im privaten wie im öffentlichen Leben höchst gefragt wird. Über sieben Millionen Menschen haben neulich den Film Katharina Luther gesehen, doppelt so viele wie sonst Filme auf dem Sendeplatz. Und ein kleiner Indikator ist auch die Playmobil-Figur von Martin Luther: Inzwischen ist sie mit mehr als 750 000 Exemplaren die am Meisten verkaufte Playmobil-Figur überhaupt.

Aber ist die Playmobil-Figur von Martin Luther letztlich nicht nur ein Werbeartikel?

Bedford-Strohm: Eltern kaufen ihren Kindern diese Figur, weil sie meinen, dass sie mehr zu bieten hat als Darth Vader oder Spiderman. Ich glaube, dass es bei den Menschen ein Grundinteresse für die Orientierung gibt, für die Martin Luther gestanden hat. Unsere Aufgabe ist es jetzt, über solche Türöffner die Inhalte des Jubiläums ins Zentrum zu rücken.

Was soll denn in diesem Jahr konkret vermittelt werden? Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Inhalte des Reformationsjubiläums?

Bedford-Strohm: Das Zentrum ist Christus selbst. 2017 soll ein großes Christusfest sein. Ich habe das immer mit Martin Luther selbst begründet: Martin Luther wollte Christus neu entdecken. Die Reformation war zunächst einmal eine große Frömmigkeitsbewegung. Deswegen ist es im Sinne Luthers, wenn wir das Reformationsjubiläum heute als Christusfest feiern.

Was heißt das konkret?

Bedford-Strohm: Martin Luther hat es genannt: „Allein aus Gnade leben dürfen“. Heute werden wir von allen Seiten mit Leistungsansprüchen überzogen. Da ist es hochrelevant zu wissen, dass wir einfach sein dürfen. Dass wir von Gott angenommen sind. Dass wir geliebte Kinder Gottes sind, die aus der Freiheit eines Christenmenschen leben können. Das ist das schönste Lebensgefühl, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. Und deswegen ist auch der Begriff der Frömmigkeit aus meiner Sicht ein Zukunftsmodell, das in diesem Jahr einen neuen Schub bekommen könnte.

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