Interview mit Alexander Graf Lambsdorff "Es muss sich etwas ändern"

Über Lehren aus der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa sprachen mit dem Vorsitzenden der FDP-Gruppe im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff, Bernd Eyermann und Sandro Schmidt.

 Alexander Graf Lambsdorff ist seit 2004 für die FDP Europa-Abgeordneter.

Alexander Graf Lambsdorff ist seit 2004 für die FDP Europa-Abgeordneter.

Foto: Horst Müller

Graf Lambsdorff, muss die EU ihre Flüchtlingspolitik verändern?
Alexander Graf Lambsdorff: Es ist erschütternd, dass weit über 100 Menschen sterben mussten, nur weil sie auf der Suche nach einem besseren Leben waren. Dabei hätten wir die Mittel, so etwas zu verhindern. Wir müssen die Überwachung des Mittelmeeres verbessern. Also: Ja, es muss sich etwas ändern.

Wie?
Lambsdorff: Die EU-Grenzagentur Frontex muss deutlich aufgestockt werden: an Geld, an Schiffen, an Hubschraubern. Alle anderen Fragen müssen später geklärt werden. Jetzt geht es darum zu verhindern, dass noch mehr Menschen ums Leben kommen.

Wo liegt das Problem bei Frontex?
Lambsdorff: Frontex ist noch immer keine echte EU-Organisation, sondern muss immer wieder bei den Mitgliedstaaten um Geld und Ausrüstung betteln. Sie müsste eine eigene und größere Ausstattung bekommen und selbst entscheiden, wofür sie sich einsetzt, das aber dann auch rechtfertigen. Manchmal schickt Frontex Boote aufs offene Meer zurück - das geht einfach nicht, aber es gibt keine parlamentarische Kontrolle, weil die nationalen Parlamente damit überfordert sind und die Regierungen der Mitgliedstaaten das Europaparlament außen vor lassen wollen.

Verstehen Sie, dass sich die Italiener überfordert fühlen?
Lambsdorff: Flüchtlinge wollen nach Europa, nicht in einzelne Länder. Die aktuelle Regel, dass das erste Land, in das die Flüchtlinge kommen, sich dann um alles kümmern muss, ist so nicht in Ordnung. Es ist allerhöchste Zeit, zu einer gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik zu kommen. Das haben wir schon vor den aktuellen Ereignissen immer wieder in Brüssel auf die Tagesordnung gesetzt, sind aber in vielen Hauptstädten damit auf taube Ohren gestoßen.

Wofür soll sich Deutschland jetzt einsetzen?
Lambsdorff: Die FDP fordert schon lange ein gemeinsames Asylrecht, Rechtssicherheit und intelligent gesteuerte Zuwanderung. Der Ruf von CDU-Vize Julia Klöckner nach einer europäischen Flüchtlingskonferenz kommt spät, aber immerhin kommt er überhaupt. Bisher hat ja Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU alles blockiert, was an Verbesserungen in Brüssel vorgeschlagen wurde. Ich hoffe, dass die Tragödie von Lampedusa die Dringlichkeit des Problems endlich deutlich werden lässt und zu einer wirklich europäischen Politik führt.

Was ist jetzt das Wichtigste?
Lambsdorff: Zuallererst: Flüchtlinge sind menschenwürdig zu behandeln. Das vermissen wir - wie auch das Bundesverfassungsgericht - in manchen griechischen und italienischen Aufnahmelagern. Zweitens: Wir müssen unterscheiden zwischen Flüchtlingen und Asylbewerbern einerseits, die einen legalen Status haben, und Wirtschaftsmigranten, bei denen das oft nicht der Fall ist. Das Dritte ist ein gemeinsamer Verteilschlüssel in der EU für legale Migranten, wie den in Deutschland zwischen den Bundesländern. Der vierte Punkt ist die Rückverbringung illegaler Zuwanderer in ihre Heimatländer, aber menschenwürdig und ohne Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen.

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