EU-Zulassung für Unkrautvernichter Es darf etwas mehr Glyphosat sein

Brüssel · EU-Experten wollen Unkrautvernichtungsmittel länger zulassen. Angeblich ist es nicht krebserregend.

 Rund 40 Prozent aller deutschen Äcker bekommen zwei Mal im Jahr eine regelrechte Glyphosat-Dusche.

Rund 40 Prozent aller deutschen Äcker bekommen zwei Mal im Jahr eine regelrechte Glyphosat-Dusche.

Foto: dpa

Glyphosat ist ein echter Renner. Das meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel der Welt wird von Hobbygärtnern ebenso genutzt wie von Landwirten. Rund 40 Prozent aller deutschen Äcker bekommen zwei Mal im Jahr eine regelrechte Glyphosat-Dusche. Dabei wird es wohl auch in Zukunft bleiben.

Zwar endet die derzeitige EU-Zulassung für das Präparat am 31. Dezember 2015. Dass sie verlängert wird, scheint nun aber sicher: Gestern verkündete die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma (Italien) ihr Prüfurteil, das postwendend alle Umweltschützer auf die Barrikaden brachte: "Die Substanz ist wahrscheinlich nicht genotoxisch (schädigt nicht die DNA, d. Red.) oder stellt eine krebserregende Bedrohung für den Menschen dar", schrieben die EFSA-Experten.

Mehr noch: Sie schlugen sogar vor, die täglich akzeptierte Dosis für die Aufnahme des Wirkstoffes durch den Menschen von 0,3 Gramm auf 0,5 Gramm pro Kilo Körpergewicht anzuheben.

"Verwerflich" nannte der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) das Urteil. "Ein Trauerspiel", sagte der Experte der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Häusling, der nicht nur als Politiker, sondern auch als Landwirt tätig ist. Zwar steht die entscheidende offizielle Genehmigung für die Nutzung des Insektizids für weitere zehn Jahre noch aus. Diese muss die EU-Kommission in Brüssel in den nächsten Wochen erteilen.

Doch Kritiker und Befürworter gehen davon aus, dass die Behörde ihren eigenen Experten Glauben schenken wird. Tatsächlich sind die Fachleute zerstritten, wenn es um die Frage der krebserregenden Wirkung geht.

Zugespitzt hatten sich die Auseinandersetzungen im März dieses Jahres. Da war die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Ergebnis gekommen, der Wirkstoff Glyphosat müsse durchaus als Gesundheitsrisiko angesehen werden. "Wir haben aufgrund epidemiologischer Studien gesehen, dass Landwirte, die mit Glyphosat gearbeitet haben, ein erhöhtes Risiko für Lymphknotenkrebs aufweisen." Auch der Europa-Abgeordnete Häusling bestätigt aus eigener Erfahrung Merkwürdigkeiten. Zwar dürften die Bauern das Mittel in Getreide spritzen, das glyphosathaltige Stroh müsse aber danach wie Sondermüll behandelt werden.

Häusling: "Das Stroh, das übrigbleibt, dürfen die Bauern nicht verwenden - wohl aber das Getreide, das sie sofort anschließend zur Mühle fahren können." Tatsächlich kommen das in Deutschland maßgebliche Institut für Risikobewertung (BfR) ebenso wie mehrere andere Bundesbehörden in ihrer Empfehlung für die EFSA-Bewertung zu dem Schluss, es gebe keine Bedenken gegen einen weiteren Einsatz. Mehr noch: Laut BfR kann die Toxizität (also der Grad der schädigenden Wirkung durch den Kontakt mit einer Substanz) bestimmter Beistoffe in Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln höher als die des Wirkstoffes selbst sein.

Der Expertenstreit dreht sich im Wesentlichen um die Frage, wer welche vorhandenen Studien in sein Urteil mit einbezogen hat. Denn die Kompetenz der EU-Fachleute wird von vielen infrage gestellt - sie gelten als industriefreundlich und keineswegs unabhängig.

Zumal die EFSA gar keine eigenen Studien oder Untersuchungen durchführt, sondern lediglich sichtet, was an wissenschaftlichen Ergebnissen auf dem Markt ist. Und das sei, wie die Agentur gestern schrieb, eben nicht so, "dass Glyphosat als krebserregend gemäß der EU-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen eingestuft" werden müsse.

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