CDU-Europaabgeordneter Elmar Brok zur Lage in der Ukraine und zum Einfluss Russlands

BRÜSSEL/KIEW · Rückt eine Lösung für die Ukraine näher? Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, hält sich seit Montag zu Gesprächen in Kiew auf. Mit ihm sprach unser Brüsseler Korrespondent Detlef Drewes.

 Das Volk soll frei entscheiden, welchen Weg es gehen will, mahnt Elmar Brok.

Das Volk soll frei entscheiden, welchen Weg es gehen will, mahnt Elmar Brok.

Foto: dpa

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch scheint seine Macht nur scheibchenweise abgeben zu wollen, um einen Rücktritt zu vermeiden. Ist eine Lösung mit ihm überhaupt denkbar?
Elmar Brok: Das kann man sich nur schwer vorstellen. Er hat zwar die undemokratischen Gesetze wieder zurückgenommen, ist aber bisher nicht bereit, die Rücknahme auch zu unterzeichnen und so wirksam werden zu lassen, sondern hat neue Bedingungen gestellt. Das ist das alte Janukowitsch-Spiel. Man kann seinen Zusagen nur schwer vertrauen.

Ist die Opposition stabil genug? Oder besteht die Gefahr, dass sie nach einem Rücktritt des Präsidenten zerbricht?
Brok: Die beiden Parteiführer Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk arbeiten vertrauensvoll und eng zusammen. Ich habe beide mehrfach in diesen Tagen getroffen. Sie sind beide sehr rechtsstaatlich verwurzelt und schauen nach Europa. Das passt schon gut zusammen.

Könnte es sein, dass auch die inhaftierte Julia Timoschenko wieder eine Rolle spielt?
Brok: Ja, wenn sie nicht mehr im Gefängnis sitzt, würde sie eine wichtige, vielleicht sogar entscheidende Rolle spielen.

Russlands Präsident Putin hat in Brüssel von der Eigenständigkeit der Ukraine gesprochen und zugesagt, dass Moskaus Kredite unabhängig von der Frage, wer die Ukraine führt, gelten. Hat das etwas bewegt?
Brok: Dann soll er sich auch so verhalten. Dann soll er seinen Handelsdruck beenden und nicht mit Energiepreisen spielen. Er unterdrückt das Land ja systematisch, indem er Auflagen macht und Instrumente einsetzt, die zwischen souveränen Staaten undenkbar sein sollten. Er will die Ukraine in seinen Herrschaftsbereich eingliedern, um das alte Reich wieder herzustellen.

Besteht die Gefahr, dass das Land gespalten wird - in einen pro-russischen und in einen pro-europäischen Teil?
Brok: Historisch gesehen setzt sich die Ukraine aus zwei unterschiedlich geprägten Landesteilen zusammen. Aber genau deshalb wird in Kiew sehr aufmerksam registriert, dass nun eben auch Demonstrationen im östlichen Teil stattfinden. Gerade die jungen Menschen in allen Landesteilen dringen auf Freiheit. Das zeigt die neue Dimension dieses Aufbruchs, der sich da gerade vollzieht.

Was kann die EU tun?
Brok: Wir können vermitteln, wir können moderieren, wir können auch der Regierung zeigen, dass ihr Weg Richtung immer weniger Rechtsstaatlichkeit keine Lösung ist. Und wir können deutlich machen, welche Perspektiven das Land hat, um politisch und wirtschaftlich überhaupt eine Zukunft zu bekommen.

Man kann, so hieß es beim EU-Russland-Gipfel in Brüssel, gute Beziehungen zu Moskau und der EU haben. Wird das in Kiew verstanden?Brok: Das sieht man durchaus. Aber man muss doch dem Volk selbst überlassen, welche Richtung es für sein Land einschlagen will. Es geht ja nicht um Einflusssphären. Wir sind im 21. Jahrhundert. Da sollte jedes Volk frei entscheiden können, wohin es gehen will. Man kann nicht in Brüssel oder Moskau einen Deal über das Schicksal eines Landes machen.

Zur Person

Elmar Brok, 1946 im nordrhein-westfälischen Verl geboren, ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, dem er seit 1980 angehört. Der gelernte Journalist ist Mitglied im CDU-Bundesvorstand und Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der CDU in Nordrhein-Westfalen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort